246 Sechstes Buch. Flinftes Capitel.
fest genug befunden; von dem einsichtsvollen Knyphausen urtheilt der
König, er sage doch nicht immer die Wahrheit; der habile Kreuz habe
seine Passionen; der vertraute Grumbkow sei nicht ohne besondere
Absichten und suche seinen Vortheil. Dazu komme wohl auch Ein-
wirkung von den fremden Mächten auf die Minister; auch bei den
Unterbehörden nehme man Privatrücksichten wahr. Der Fürst sei
dadurch zur äußersten Wachsamkeit verpflichtet. Alles Private soll
im öffentlichen Dienste abgestreift und so gut wie vernichtet werden.
Dem monarchischen Staatswesen giebt es seinen Charakter, daß die
öffentlichen Angelegenheiten eben als die Sache des Fürsten erscheinen:
die Interessen des Staates sind zugleich die persönlichen des Monarchen.
In Preußen waren sie bereits so umfassend und großartig, daß sich
Beamte und Volk der üöffentlichen Sache mit Hingebung anschlossen:
der Staat war lebensfähig, charaktervoll, energisch aufstrebend, ent-
wickelungsfähig im Innern, nach außen angesehen, voll von Zu-
kunft. Daß Friedrich Wilhelm diese selbst herbeiführen würde, er-
wartete man schon nicht mehr. Die unbequeme Stellung, in welche
er gegen die verschiedenen europäischen Mächte gerathen war, von den
größeren stand er nur zu einer in nicht unfreundlichen Beziehungen,
rührte zum Theil auch daher, daß man sich überzeugt hielt, er werde
niemals Ernst machen, niemals schlagen.
Schon richtete Alles seine Augen auf den Nachfolger, dessen
Fähigkeiten durch die häuslichen Stünmee, die er erlebte, nicht gebeugt,
sondern in vielseitiger Entwickelung eher gefördert worden waren, der,
so entfernt er auch noch von allen Geschäften gehalten wurde, doch
im Stillen heranreifte, um ihre Leitung zu ergreifen. Der alte König
ließ sich wohl gegen seine Vertrauten vernehmen, man wisse nicht,
was in dem Friedrich Alles liege.
Ass einen der stets im Auge zu behaltenden Gesichtspunkte hat
Friedrich Wilhelm selbst noch bezeichnet, die Ansprüche zur Geltung zu
bringen, welche dem Hause nach verschiedenen Seiten hin zustehen.
Im Archiv werde man nähere Nachrichten davon finden. Inhalts-
schwer für Vergangenheit und Zukunft lautet ein Wort von ihm, das
er in der Instruction von 1722 ausspricht: „Der Kurfürst Friedrich
Wilhelm hat die Aufnahme und das rechte Flor in unser Haus ge-
bracht, mein Vater hat die königliche Würde erworben, ich habe das
Land und die Armee in Stand gesetzt; an Euch, mein lieber Successor
ist, was Eure Vorfahren angefangen, zu behaupten und die Prä-
tensionen und Länder herbeizuschaffen, die unserem Hause von Gott und
Rechtswegen zugehören.“