Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

256 Siebentes Buch. Erstes Capitel. 
Reise bestand darin, die Armee und die Verwaltungsbehörden zu 
inspiciren. 
Leider ist von den Berichten, die er erstattete, nur ein einziger 
übrig, worin er von ein paar Reitercompagnien meldet, die er zu 
Marienwerder gesehen, „ein schöner Schlag gedrungener Pferde, auf 
dem die Leute wie Puppen sitzen“; und dann von dem wüsten Wesen 
in Polen, wo man nur Weiber und Kinder zu Gesicht bekomme; — 
anderweit aber erfahren wir, daß er hie und da den Offizieren ge- 
zeigt hat, woran es ihnen noch fehle: die Präsidenten und Räthe der 
Kammern hat er zu ihrer Schuldigkeit angewiesen, mit den Einsicht- 
vollsten auch wohl neue Einrichtungen besprochen. Er bemerkte es, 
wo dem gemeinen Soldaten nicht Alles gegeben ward, was zu seiner 
Montur gehörte, empfahl unvermögende Beamte der Nachsicht und 
tadelte die Vernachlässigung der Volksschulen. Der König verfügte 
nach den Vorschlägen Friedrichs, und war höchlich zufrieden, daß der- 
selbe ins Detail gehe, und den Grund der Sachen erforsche, denn 
nur so lasse sich davon urtheilen 1). In der Genugthuung des Königs 
liegt zugleich etwas von dem Gefühl eines Gärtners, der einen lebens- 
kräftigen Baum mit Gewalt in seine ursprüngliche Richtung, von der 
ein einseitiger Trieb ihn abführte, zurückgezogen hat und nach seinem 
Wunsche emporwachsen sieht. 
Indeß so sehr sich Friedrich auch anschloß, so ging in ihm Vieles 
vor, wovon seinem Vater keine Ahnung kam, was dem Sinne, den 
dieser allezeit in sich genährt hatte, von Grund aus widersprach. 
Es handelte sich dabei nicht mehr um kleine literarische Phantasien, 
sondern um die großen Ueberzeugungen, aus denen der geistige und 
morglische Mensch lebt: wir können hinzufügen, selbst nicht um rein 
persönliche Dinge, sondern um eine große Umwandlung in den An- 
sichten des Jahrhunderts. 
Die Zeiten traten ein, wo sich der menschliche Geist von der 
Oberherrschaft der geistlichen Ideen von allen Seiten losriß. 
Wir haben hier nicht den Ursprung dieser Tendenzen auf dem 
Gebiete des geistigen Lebens überhaupt zu erforschen: wir bemerken 
nur die auffallende Erscheinung, daß die großen religiösen Genossen- 
schaften nicht mehr vermochten, die individuelle Meinung ihrer Mit- 
glieder festzuhalten. Bei dem Studium der eifrigsten puritanischen 
1) Königs-Wusterhausen 27. October. Könnet ihr versichert sein, daß 
eure Application und Einsicht ein besonderes Vergnügen bei mir verursacht 
hat, und ich davon vollkommen zufrieden bin.
	        
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