258 Siebentes Buch. Erstes Capitel.
in den Staaten und der bürgerlichen Verfassung in eine obne Zweifel
allzu nahe Verbindung gebracht waren. Die christliche Religion strebt
ewig die allgemeine zu sein: bei den gegenseitigen Ausschließungen
konnte es sein Verbleiben nicht haben: ein künstliches Dogmenwesen
wird sie ohnehin durch das ihr inwohnende Bedürfniß einfacher Welt-
anschauung allezeit sprengen. Wer von Allen, die leben, wollte wieder
zu jenen Zuständen zurückkehren? Bisher hatte man bei aller Zurück-
setzung, die man erfuhr, die Hoffnung, den andern Theil doch noch
zu überwältigen; jetzt erregte die an dem Buchstaben nicht immer um
des Glaubens willen haftende Orthodoxie und der daran geknüpfte
bürgerliche Vorzug nur noch Widerwillen und persönlichen Unmuth.
Steigen wir zu der Höhe der Beobachtung empor, wo die Be-
strebungen der Jahrhunderte sich vor den Augen ausbreiten, so nehmen
wir von diesem weltgeschichtlichen Momente aus zwei große Di-
rectionen wahr.
In dem achtzehnten Jahrhundert hat man eine von dem Posi-
tiven und eigentlich Christlichen abgewandte Richtung verfolgt, —
bis die Irreligion einmal die Staatsgewalt erobert und eine große
Nation in dem Tempel der Vernunft angebetet hat.
Aber die Welt konnte nicht ertragen, von dem Göttlichen zu
veröden. Das neunzehnte Jahrhundert kehrte zu den Lebensquellen
um, an welchen die früheren Zeiten sich genährt hatten; es kam selbst
auf das Confessionelle zurück, welches nun einmal die Form für die
positive Religion geworden. Welch ein Mißverständniß jedoch, darum
den alten Hader, aus dem man so eben hatte entkommen wollen,
oder den Anspruch auf hierarchische Alleinherrschaft zu erneuern! Die
aus der Lage der Dinge entspringende Forderung ist vielmehr, das
Positive zu einem allgemein Gültigen zu entwickeln, worin sich alle
Parteien vereinigen könnten, und indeß das einer jeden inwohnende
Wahre eine an der andern anzuerkennen.
In den Zeiten nun, in welche die Jugend Friedrichs fiel, kam
jene Richtung nach der Naturseite hin empor, welche dem achtzehnten
Jahrhundert seinen Charakter gegeben hat, und in seiner Erziehung
lag Manches, was ihn zur Theilnahme an derselben vorzubereiten schien.
In den frühesten Lebensjahren war er überfüllt worden mit Religions-
übung in der Art und Weise eines auch hierin streng militärischen
Gebotes. Der Tiefsinn und das geistig Befreiende der großen Leh-
ren, an denen sich die Geschichte der Menschheit auferbaut hat, war
ihm in einer Form dargeboten worden, die ihm den Inhalt ver-
leidete. An Einer Streitfrage, wie erwähnt, nahm er ein lebendiges