Spätere Jugendjahre Friedrichs II. 259
Interesse, aber eben diese durfte im Unterricht, der niemals den äußer-
lichen Zweck aus den Augen ließ, nicht berührt werden; und als er
die Mittel gefunden, sich anderwärts zu belehren, und für die hier
zu Lande damals verworfene Ansicht, welche ihn aber vermöge ihrer
geheimnißvollen Tiefe anzog, Partei genommen, ward er mit rück-
sichtsloser Geivalt genöthigt, davon abzulassen. Eine Wirkung auf
seine Ueberzeugung hatten jene täglichen Disputationen in Cüstrin
über den universalen und particularen Rathschluß allerdings, jedoch
wir wissen schon, welcher Art sie war: er ließ die Meinung fallen,
die er bekannte, ohne die anzunehmen, die man ihm aufdrängen wollte.
Doch war ihm das Christenthum selbst noch über alle Zweifel
erhaben. In einem Briefe an den Prinzen von Oranien spricht er
noch mit Hingebung von der heiligen Religion, die er bekenne 0.
Hierauf erwachten ihm auch andere Zweifel.
Nach einem Jahr finden wir Friedrich mit einer der obersten
Grundlehren, auf der die Wirksamkeit und Verbreitung der christlichen
Religion vornehmlich beruht, mit der Lehre von der Unsterblichkeit der
Seele beschäftigt, in sich selbst mit Gründen und Gegengründen darüber
streitend. Die Meinungen der Materialisten schienen bei ihm die Ober-
hand zu gewinnen: er faßte die Ansicht, die Lehre gründe sich auf einen
dem Menschen von seinem natürlichen Hochmuth eingegebenen Wahn.
Es war in dieser Stimmung, daß er zum ersten Mal mit der
Philosophie in lebendige Berührung gerieth.
Ein ehemaliger sächsischer Minister, Graf Manteuffel, mit welchem
der Prinz mündlich und schriftlich zu verkehren liebte, und der den
Wissenschaften die eifrige Theilnahme eines eingehenden Dilettanten
widmete, sagte ihm, er sei einst von denselben Zweifeln ergriffen ge-
wesen, aber die Metaphysik von Wolf habe ihn davon zurückgebracht:
dieses Buch enthalte Alles, was die Philosophie Ueberzeugendes über
diesen Punkt aufstellen könne, in einer sehr einfachen Beweisführung.
Ein anderer Sachse, derselbe Suhm, der in jenen Zeiten der
Zerwürfnisse in der Familie sich das Vertrauen des Prinzen erworben
hatte, ein Mann von feinerem, sinnvollem Geist, gab sich die Mühe,
Wolfs vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des
Menschen, denn dies ist das Buch, das man Wolfs Metaphysik nannte,
für den Prinzen ins Französische zu übersetzen, da dies nun einmal
die Sprache war, in der er über allgemeine Dinge sich ausdrückte
und wohl auch dachte, und sie ihm Capitel für Capitel zuzustellen.
1) Mitgetheilt in dem Briefwechsel Friedrichs des Großen mit Wil-
helm IV von Oranien und seiner Gemahlin. S. W. XXIV, 180, 195.
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