Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Spätere Jugendjahre Friedrichs II. 265 
Das erste, wogegen er sich versuchte, war eben der Mittelpunkt 
des ganzen Systems, der Begriff vom einfachen Dinge. Die geistige 
Bedeutung der Monadenlehre berührte er nicht; er blieb bei dem 
physikalischen Gesichtspunkte stehen, der Behauptung, daß alles Zu- 
sammengesetzte sich unendlich theilen lasse, unendlich weiter, als unsere 
unvollkommenen Werkzeuge reichen; auch der letzte Urbestandtheil sei 
noch ein Körper: sonst würden keine Körper daraus entstehen. 
Der Prinz aber — denn wir dürfen wohl seinen Gedankengang 
weiter begleiten — war mit Gründen dieser Art nicht zu schlagen. 
Er warf ein: die Vorstellung von Raum oder Länge und Breite sei 
durch die wolfsche Definition ausgeschlossen; nicht Alles sei unendlich 
theilbar, z. B. nicht der Mensch als Mensch. 
Voltaire erwiederte: was ungetheilt, sei darum noch nicht un- 
theilbar, noch nicht einfach; zu dem einfachen Wesen Wolfs könne er 
sich nicht erheben. Der Prinz ersuchte ihn, der Sache nur eine kleine 
Aufmerksamkeit zu widmen: die Wahrheit könne einem so geistreichen 
Manne, wie er sei, nicht entgehen. Aber Voltaire war nicht weiter 
zu bringen: er sagt, er gerathe hier auf einen Boden, wo er seinen 
Fuß nicht niedersetzen, zu Leuten, deren Sprache er nicht verstehen, 
in ein Klima, wo er nicht athmen könne: Wolf werde von einer 
andern Religion sein als er, jeder müsse bei der seinen bleiben. Sehr 
wahr: die Philosophien, die hier einander gegenüber standen, hatten 
die eine ihren Ursprung in der positiven Religion, die andere eine 
Tendenz gegen dieselbe. 
In diesem Augemblicke griff Voltaire aber auch schon den andern 
vornehmsten Lehrsatz von dem zureichenden Grunde, nicht sowohl an 
sich, als in den damit in Zusammenhang gebrachten Ansichten von 
Freiheit und Nothwendigkeit an. Im October 1737 schickte er dem 
Prinzen einen Aufsatz über die unbedingte Freiheit des menschlichen 
Willens, die er aus den plausiblen Gründen des gemeinen Menschen- 
verstandes behauptet; er sucht eifrig, die Einwendungen zu heben, die 
dagegen besonders von der Allwissenheit Gottes hergenommen werden. 
Hier aber fand er den Prinzen womöglich noch unerschütterlicher. 
Friedrich entgegnete, er würde der Meinung Voltaires sein, wenn es 
keinen Gott gäbe: nun aber habe der Mensch einmal aus Ursachen, 
die nicht in seiner Gewalt seien, einen bestimmten Charakter, ein 
bestimmtes Temperament, nach dem er handle; zu jeder Handlung 
gehöre überdies Gelegenheit, die in den Umständen liege: wer aber 
führe diese herbei? Gewiß nicht der Zufall, sondern Gott, der die 
Dinge und die Menschen leite; darauf beruhe die Idee von der gött-
	        
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