Spätere Jugendjahre Friedrichs II. 265
Das erste, wogegen er sich versuchte, war eben der Mittelpunkt
des ganzen Systems, der Begriff vom einfachen Dinge. Die geistige
Bedeutung der Monadenlehre berührte er nicht; er blieb bei dem
physikalischen Gesichtspunkte stehen, der Behauptung, daß alles Zu-
sammengesetzte sich unendlich theilen lasse, unendlich weiter, als unsere
unvollkommenen Werkzeuge reichen; auch der letzte Urbestandtheil sei
noch ein Körper: sonst würden keine Körper daraus entstehen.
Der Prinz aber — denn wir dürfen wohl seinen Gedankengang
weiter begleiten — war mit Gründen dieser Art nicht zu schlagen.
Er warf ein: die Vorstellung von Raum oder Länge und Breite sei
durch die wolfsche Definition ausgeschlossen; nicht Alles sei unendlich
theilbar, z. B. nicht der Mensch als Mensch.
Voltaire erwiederte: was ungetheilt, sei darum noch nicht un-
theilbar, noch nicht einfach; zu dem einfachen Wesen Wolfs könne er
sich nicht erheben. Der Prinz ersuchte ihn, der Sache nur eine kleine
Aufmerksamkeit zu widmen: die Wahrheit könne einem so geistreichen
Manne, wie er sei, nicht entgehen. Aber Voltaire war nicht weiter
zu bringen: er sagt, er gerathe hier auf einen Boden, wo er seinen
Fuß nicht niedersetzen, zu Leuten, deren Sprache er nicht verstehen,
in ein Klima, wo er nicht athmen könne: Wolf werde von einer
andern Religion sein als er, jeder müsse bei der seinen bleiben. Sehr
wahr: die Philosophien, die hier einander gegenüber standen, hatten
die eine ihren Ursprung in der positiven Religion, die andere eine
Tendenz gegen dieselbe.
In diesem Augemblicke griff Voltaire aber auch schon den andern
vornehmsten Lehrsatz von dem zureichenden Grunde, nicht sowohl an
sich, als in den damit in Zusammenhang gebrachten Ansichten von
Freiheit und Nothwendigkeit an. Im October 1737 schickte er dem
Prinzen einen Aufsatz über die unbedingte Freiheit des menschlichen
Willens, die er aus den plausiblen Gründen des gemeinen Menschen-
verstandes behauptet; er sucht eifrig, die Einwendungen zu heben, die
dagegen besonders von der Allwissenheit Gottes hergenommen werden.
Hier aber fand er den Prinzen womöglich noch unerschütterlicher.
Friedrich entgegnete, er würde der Meinung Voltaires sein, wenn es
keinen Gott gäbe: nun aber habe der Mensch einmal aus Ursachen,
die nicht in seiner Gewalt seien, einen bestimmten Charakter, ein
bestimmtes Temperament, nach dem er handle; zu jeder Handlung
gehöre überdies Gelegenheit, die in den Umständen liege: wer aber
führe diese herbei? Gewiß nicht der Zufall, sondern Gott, der die
Dinge und die Menschen leite; darauf beruhe die Idee von der gött-