Spätere Jugendjahre Friedrichs II. 269
Vielleicht hätte sich Friedrich, wenn er einmal schrieb, auch der
Herausgabe seines Buches unterziehen sollen. Unmöglich kann sich
ein Talent in einsamen Hervorbringungen ausbilden. Die Rücksicht
auf das Publikum und dessen Theilnahme, der Widerstreit mit den
herrschenden Meinungen und der Wetteifer mit den Zeitgenossen
bringen erst das volle Talent an den Tag. Besonders ungeeignet
war aber hier der Vermittler, an den der Prinz sich wandte. Voltaire
richtete die Schrift für den Büchermarkt zu, nach dem herrschenden
Geschmacke des Publikums. Will man den eigenthümlichen Gedanken
Friedrichs verstehen, so muß man beinahe noch mehr das ins Auge
fassen, was Voltaire wegließ, als was ihm stehen zu lassen beliebte.
Glücklicherweise ist die ursprüngliche Abfassung, von Friedrichs
Hand, bis auf eine kleine Lücke aufbehalten worden: in dieser Gestalt
ist die Schrift sehr merkwürdig ).
Es lag ganz außerhalb des Gesichtskreises eines deutschen Kron-
prinzen, das Buch Macchiavells auf die Zustände von Italien zurück-
zuführen. aus denen es entsprungen ist, auf jene besonderen Verhält-
nisse einer usurpatorischen Macht in einer bisherigen Republik, für
welche die Rathschläge verschlagener Gewaltsamkeit berechnet sind, die
darin gegeben werden; Friedrich betrachtete die Schrift einfach als
eine allgemeine Anweisung, durch welche ein verruchter Rathgeber
junge Fürsten zu verführen suche. Es ist ihm in der Politik eben
das, was Spinoza im Gebiet der Speculation: gleich verwerflich und
denen, die darauf achten, ebenso gefährlich, ausführte. Das historisch
Bedeutende ist gerade, daß die Schrift weniger Widerlegung enthält
als Gegensatz. Der auf die Praxis der italienischen Usurpation ge-
gründeten Lehre des Florentiners tritt die Anschauungsweise des Erb-
fürstenthums entgegen; der Prinz spricht die ihm an seiner Stelle
vorschwebenden Gedanken von dem Berufe des Fürstenthums aus.
Engländer her und schrieb an Voltaire, er habe sie drucken lassen. Voltaire
bemerkt: so schreibe doch kein Engländer; so viel Antheil nehme Keiner an den
Angelegenheiten des Reiches; wenn sie in England gedruckt worden wöre, so würde
er darin gleich den Prinzen erkannt haben. (Vgl. Duncker, Eine Flugschrift des
Kronprinzen Friedrich, in der Zeitschr. für preuß. Gesch. VIII, 1, S. 23 ff.)
1) Friedrichs II Autimachhiavell, herausgegeben von Friedländer 1834,
zeigt das Verhältniß; die Sammlungen des K. G. K. Archivs enthalten das
Meiste von dem, was da noch vermißt wird. Die neue Ausgabe der Werke
wird das Original, so weit es sich zusammengefunden (es fehlt nur noch das
zweite Capitel) mittheilen. So die erste Ausgabe dieses Buches. Die Mit-
theilung erfolgte dann, bald nachdem dieselbe erschienen war, in den Oeuvres
de Frédéric T. VIII, S. 61.