Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

270 Siebentes Buch. Erstes Capitel. 
Er setzt diesen hauptsächlich in zwei Dinge, die Besorgung der 
gemeinschaftlichen Angelegenheiten Aller, und die Vertheidigung durch 
die Waffen. 
Was das erste anbelangt, so sieht er in dem Besitze der höchsten 
Gewalt weniger ein iRecht als ein Amt. Sehr eigenthümlich und 
königlich ehrgeizig erscheint seine Vorstellung von dem Verhältnisse 
zwischen Fürsten und Volk. Der Fürst, sagt er, soll seine Unterthanen 
glücklich machen: die Völker müssen das Werkzeug seines Ruhmes 
sein 1). Wie widersinnig sei der Rath Macchiavells, einen eroberten 
Staat dadurch zu behaupten, daß man ihn zerstöre. Nur in der 
Zahl und dem Reichthum der Unterthanen bestehe die Macht der 
Fürsten. Das Glück des einen Theiles bilde zugleich das des andern, 
gleichviel ob ein Staat ererbt worden oder erworben. 
Nach seiner Meinung ist der Fürst gleichsam der Vormund der 
Unterthanen; er hat das öffentliche Vermögen zu verwalten, und ist 
seinen Völkern dafür verantwortlich, wie er dies thut. Ein großer Fürst 
soll freigebig sein und Aufwand machen: denn der Luxus treibt das 
Blut durch die großen Adern bis zu den äußeren Theilen, und führt 
es durch die kleinen wieder zum Herzen zurück, damit es von neuem 
ausgeströmt werde. Es giebt aber auch andere Fürsten, deren Kräfte 
beschränkt und mäßig sind, die Länder besitzen, welche nicht zu den 
großen gehören. Ein solcher muß seine Freigebigkeit nach seinen 
Mitteln berechnen und sie nur auf bestimmte Zwecke richten, z. B. das 
Gewerbe zu unterstützen, dem Glanze des Thrones einen dauernden 
Bestand zu geben, sehr ausgezeichnete Verdienste zu belohnen; sonst 
aber muß er gute Ordnung halten und sich in Zeiten mit einem 
hinreichenden Rückhalt versehen, um auch einen Krieg zu bestehen. 
Vor allem ist Friedrich von der Nothwendigkeit durchdrungen, 
daß der Fürst seine eigene persönliche Fähigkeit ausbilde. Er soll 
sich nicht dem tumultuarischen Vergnügen der Jagd überlassen, das 
ihn eher verwildern könne; sich unterrichten, nicht gerade um vielerlei 
zu wissen, sondern hauptsächlich im Umgang mit klugen Leuten sich 
üben, richtig zu denken, Ideen zu combiniren; seine Pflicht erfordert, 
daß er seine geistigen Kräfte stärke. Wie sollte er sonst in schwie- 
rigen Fällen fähig sein, die rechten Entschlüsse zu fassen, das gute 
oder auch das schlechte Glück zu benutzen? 
Ein Serupel steigt ihm hiebei in Bezug auf seine religiöse Ge- 
1) Eine von den im ersten Capitel weggelassenen Stellen: il doit eire 
D’instrument de leur felicité, comme ses peuples le sont de sa gloire.
	        
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