274 Siebentes Buch. Erstes Capitel.
Im Frühjahr 1740 fühlte der König, in Potsdam, wohin er ge-
gangen, weil die dortige Luft seinem Zustande heilsamer sei, eine so
merkliche Abnahme seiner Kräfte, daß er für nothwendig hielt, seinen
Sohn in die Angelegenheiten der. Regierung, wie sie im Augenblicke
lagen, einzuführen.
Zuerst ward Boden, einer der Minister des Generaldirectoriums,
nach Ruppin geschickt!), wo der Prinz sich eben aufhielt, um ihn
über die inneren Geschäfte zu unterrichten: vor allem sollten die
Etats, also der Geldhaushalt vorgenommen werden: dann wollte man
zu dem Accisewesen schreiten. — Hierauf erhielten die beiden Cabinets-
minister, Podewils und Thulemeier, den Auftrag, ebenfalls nach
Ruppin zu gehen, und ihm „die Situation der auswärtigen Affairen“,
besonders die Wendung, die sie in den letzten Zeiten genommen hatten,
zu entwickeln.
Indem aber verschlimmerte sich das Befinden Friedrich Wilhelms,
so daß man das Aeußerste fürchtete; der Prinz, durch die Nachrichten
erschreckt, die ihm ausdrücklich deshalb zugingen, eilte nach Potsdam,
um den Vater nur noch lebend anzutreffen. Er fand ihn besser als
er gedacht, sitzend in dem sonnigen Schloßhof auf seinem Rohrstuhl,
und mit Anordnungen zum Anbau eines Nebenhauses beschäftigt.
Friedrich Wilhelm, sehr befriedigt durch die herzliche Theilnahme an
seiner Krankheit, und die guten Entschlüsse, die Friedrich in allen
seinen Briefen an den Tag legte2), empfing ihn mit dem Ausdruck
eines reinen väterlichen Gefühles, und nahm sich vor, was die Mi-
1) Darüber giebt ein kurzer Brief Friedrichs an Boden vom 24. Mai
Auskunfst.
2) Der letzte Brief Friedrich Wilhelms an den Kronprinzen vom 26. Mai
mag hier eine Stelle finden. Er lautet: Mein geliebter Sohn, ich habe Euer
Schreiben vom 24. dieses wohl erhalten, daraus euer herzliches Mitleid mit
meinem elenden Umstande, auch eure löbliche Entschließung in allen Stücken
meinem vöäterlichen Rathe zu folgen ersehen; ich bin davon sehr attendiret und
habe nicht den geringsten Zweifel an dem Effect eures Versprechens und eurer
guten Sentiments, wenn Gott über mein veben gebieten sollte, wic es das
Ansehen hat. Daß ihr gegen Pfingsten anhero kommen wollt, solches ist mir
sehr lieb, und wird mir ein rechtes Vergnügen sein, euch noch zu embrafsiren.
Euer sehr wohl affectionirter und getreuer Vater Friedrich Wilhelm. — Es
macht einige Verwirrung, daß Friedrich erzählt, er sei am 27. in Potsdam
eingetroffen, und die Minute zur Cabinetsordre für Thulemeier und Podewils
doch erst vom 28. datirt ist. Der Befehl dazu war aber ohne Zweifel früher
gegeben, und wurde vom Secretär auch nach veränderten Umständen aus-
geführt.