Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Spätere Jugeudjahre Friedrichs II. 275 
nister entweder nicht vollendet, oder noch gar nicht begonnen, nun 
selber auszuführen. 
Noch waren ihm einige schmerzensfreie Stunden gewährt, die er 
dazu benutzte: am 28. Mai, des Nachmittags. 
In Gegenwart von Podewils, der darüber eine Nachricht hinter- 
lassen hat, stellte der König dem Nachfolger sein Verhältniß zu den 
verschiedenen europäischen Mächten in sehr bestimmten Ausdrücken dar. 
Podewils bewunderte die Geistesunbefangenheit, welche er trotz seines 
leidenden Zustandes dabei zeigte. Wir wollen des Einzelnen erst dann 
gedenken, wenn wir auf die äußere Politik zurückkommen; die Summe 
von Friedrich Wilhelms Lehren war, daß ein König von Preußen 
sein Augenmerk immer auf zwei Dinge richten müsse, das Empor- 
kommen seines Hauses, und die Wohlfahrt seiner Unterthanen, auf 
beides zugleich und auf nichts als dies, und sich von jeder Allianz 
in fremden Interessen fern zu halten habe 0. Podewils hat nicht 
verzeichnet, was der Prinz etwa geäußert hat; er wird nur gehört 
und gezeigt haben, daß er verstand und beistimmte; seine Haltung 
erfüllte den König mit unendlicher Befriedigung. Früher hatte er 
wohl die Besorgniß geäußert, sein Sohn werde dereinst einen Purpur- 
mantel, strotzend von Edelsteinen und Gold anlegen, und sich nur 
glücklich fühlen, wenn er die Krone auf dem Kopfe und den Scepter 
in der Hand einherschreite; jetzt nahm er wahr, daß derselbe seine 
Ideen von dem Wesen der wahren Macht nicht allein begriff, sondern 
darauf einging, und alle Fähigkeit, allen guten Willen zeigte, dabei 
zu bleiben und sie durchzuführen. Als nach Beendigung der Unter- 
redung die Gesellschaft wieder eintrat, hörte sie ihn Gott preisen, 
der ihm einen so braven Sohn gegeben habe. Auf diese Worte stand 
ber Kronprinz auf, küßte seinem Vater die Hand, benetzte sie mit 
Thränen. Der König umschlang seinen Hals: mein Gott, rief er aus, 
ich sterbe zufrieden, da ich einen so würdigen Sohn und Nachfolger 
hinterlasse. 
Nicht allein, daß jeder Hauch von Unmuth zwischen ihnen ver- 
schwunden war, seine Genugthuung lag in einem Gefühl, von dem 
man wohl sagen darf, daß sich darin noch der letzte Zusammenhang 
des unsterblichen Geistes mit den irdischen Dingen ausspricht: er fühlte, 
[ 
1) Kürzlicher Inhalt des Discurses, welchen S. K. M. an des Cron- 
prinzen Königl. Hoheit 28. Mai 1740, des Nachmittags umb 4 Uhr in meiner 
Gegenwart gehalten, so viel ich mich dessen erinnere. Potsdam 30. Mai 
1741. Aus dem Nachlaß von Podewils im Besitz der Frau Gräfin Voß. 
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