280 Siebentes Buch. Zweites Capitel.
In diesem Staat waren die beiden Audienzen einer förmlichen
Besitznahme des Thrones gleich; unmittelbar an die Regententhätig-
keit des Vaters schloß sich die des Sohnes an.
Von der ersten Maßregel, welche zu allgemeiner Freude von ihm
ausgeführt ward, muß man sogar gestehen, daß sie wesentlich noch
dem Verstorbenen angehörte. Trotz eines sehr merklichen Mangels
an Getreide hatte sich doch Friedrich Wilhelm lange gesträubt, die
Magazine zu öffnen. Er hatte sich berechnet, wie viel, nach den ein-
gegangenen Quantitäten, auf den Kornböden vorhanden sein müsse,
wollte nicht glauben, daß dies verbraucht sei, und besorgte, daß man
ihn betrügen wolle. Endlich jedoch in seinen letzten Augenblicken
gab er nach; er gestattete, daß den Bäckern in Berlin monatlich
400 Wispel Getreide aus den Magazinen überlassen werden dürften:
es ist die letzte Cabinetsordre, die er unterzeichnet hat. Der neue
König genoß das Vergnügen, seine Regierung mit der Ausführung
derselben zu beginnen, und da er auch ohne Zweifel auf ihre Ab-
fassung in jenen letzten Stunden entscheidenden Einfluß gehabt hat,
so ward ihm die Popularität, die sich daran knüpfte, nicht mit Un-
recht zu Theil.
Es giebt ein eigenes Gefühl, wenn man hinter den Cabinets-
ordres Friedrich Wilhelms I in dem nämlichen großen Buche, wo sie
Tag für Tag zusammengeschrieben sind, auf die frühesten Friedrichs II
stößt 1). Die Form, die Fassung, selbst die Handschrift ist die näm-
liche, der Inhalt sehr verwandt; überall aber regt sich doch zugleich
auch ein anderer Geist, und eigenthümlich kräftige Tendenzen springen
ins Auge.
Nehmen wir uns die Zeit, diese an den ersten Anordnungen des
neuen Fürsten Schritt für Schritt kennen zu lernen.
Vor Allem entwickelten die Cabinetsordres weiter, was die An-
reden an Minister und Generale angedeutet hatten. "
Eine der ersten, die er überhaupt erließ, vom 2. Juni, ist an
den als besonders übermüthig bekannten Markgrafen Friedrich von
Schwedt gerichtet, der Anträge gegen einen Rittmeister seines Regi-
ments gemacht hatte, obwohl sich wider denselben nichts Gegründetes
einwenden ließ. „Ew Liebden“, schreibt ihm der König, „müssen sich
nicht in die Gedanken kommen lassen, daß ich ihretwegen den Offi=
zieren Unrecht thun und sie ohne Grund wegjagen werde: vielmehr
1) Beim ersten Juni heißt es in der Sammlung: Hier haben S. K. M.
Friedrich König von Preußen den Anfang gemacht zu unterschreiben.