284 Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Allerdings aber trat der junge König auch mit einigen anderen
Neuerungen hervor, die über das System seines Vaters wesentlich
hinausreichten.
Am dritten Tage seiner Regierung erließ er eine Cabinetsordre,
durch welche die Tortur abgeschafft wurde, mit Vorbehalt einiger
wenigen bestimmt angegebenen Fälle, in denen sie doch auch nicht
angewendet worden ist 7.
Schon in den Zeiten der Kirchenreformation war die Tortur
bestritten, im siebzehnten Jahrhundert in ausführlichen Werken, zu-
nächst von einem arminianischen Doctor verworfen worden 2); endlich
hatte im Anfang des achtzehnten Thomasius eine seiner heftigen, ge-
lehrten, verständlichen Abhandlungen dagegen gerichtet, mit denen er
überhaupt der öffentlichen Meinung in juridischen Dingen einen neuen
Schwung gab. Doch ward sie darum noch mit Nichten abgestellt;
selbst Thomasius wagte nicht, aus Besorgniß vor andern Uebelstän-
den, schlechthin dazu zu rathen 2). Friedrich aber, davon durchdrungen,
daß es der vorgeschrittenen Cultur und dem Christenthum zur Schande
gereiche, Handlungen zu sanctioniren, durch welche die Menschheit be-
leidigt werde, trat hier mit dem unbedingten Gebot des königlichen
Willens ein, und verordnete die Aufhebung der Folter, ohne lange
wegen der Schwierigkeiten Rath zu pflegen. Im deutschen Criminal-=
proceß, wie er sich seit der Carolina gestaltet, bildete diese Art zum
Geständniß zu bringen, gewissermaßen den Mittelpunkt: der Wegfall
derselben ließ eine für den Richter empfindliche Lücke. Eben hierauf
aber wollte Friedrich keine Rücksicht nehmen. Die Abschaffung der
Qual, welche doch so oft ihres Zweckes verfehlte und den Unschul-
digen verderblich wurde, war eine unbedingte Forderung des Jahr-
hunderts, und sollte darum das ganze Criminalverfahren abgeändert
werden müssen, wie es denn von diesem Punkt aus wesentlich um-
gestaltet worden ist. Und da die Tortur auch bisher gegen die
höheren Stände nicht in Anwendung gebracht worden war, so begrüßte
der Geist der Zeit in der Abstellung derselben noch einen andern
1) Charlottenburg den 3. Juni 1740 bei Behmer: novum jus contro-
versum Catharinac II dicatum obs. 74, II, 478. Vgl. Beiträge zur ju-
ristischen Literatur IV, 202.
2) Stelle aus Lersener (1542): Geschichte des Zeitalters der Reformation
V, 473. Johann Grave: Tribunal reformatum 1624.
3) Thomasius: de tortura e foris christianorum proscribenda, Chri-
stiani Thomasjüi Dissertationum Tom. II., S. 1049.