Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Erste Regierungshandlungen Friedrichs II. im Innern. 287 
Beim ersten Blicke sieht man, wie sehr sich der preußische Staat 
von alle dem unterschied. 
Keine Frage, daß auch hier Alles auf dem Protestantismus be- 
ruhte, aber Niemand glaubte, daß dieser jemals wieder gefährdet 
werden könne oder gewaltsamer Vertheidigungsmittel bedürfe. Wie 
es vielmehr seit alten Zeiten das Bestreben der Dynastie gewesen 
war, den Hader der beiden protestantischen Confessionen untereinander 
zu beseitigen, so hatte sie dann ihre Duldung auch über die Katho- 
liken zu erstrecken begonnen. Der Besitz der westlichen Provinzen, wo# 
die drei Bekenntnisse nebeneinander bestanden, ist in dieser Beziehung 
für den Geist und Sinn der Regierung von hoher Bedeutung, man 
möchte sagen providentiell gewesen. Sie hat dort noch im Laufe des 
sechszehnten Jahrhunderts die Satzungen aufgehoben, durch welche 
die eine oder die andere Confession von bürgerlichen Rechten oder 
Aemtern ausgeschlossen wurde und allen „einerlei Recht, Schutz und 
Gleichheit“ gewährt. Schon der große Kurfürst hat zur Errichtung 
neuer katholischer Kirchen beigesteuert. Friedrich I rühmen seine katho- 
lischen Unterthanen nach, daß sie unter der Herrschaft eines Fürsten 
ihres Glaubens nicht mehr begehren könnten, als er ihnen zugestehe 1); 
wir berührten, welche Theilnahme Friedrich Wilhelm I in dem Mittel- 
punkt seines Staates aus Rücksicht auf seine katholischen Soldaten 
diesem Bekenntniß widmete; nur das Proselytenmachen fand er sich 
veranlaßt zu beschränken. 
Eine solche Richtung zu behaupten und weiter zu entwickeln lag 
nun ganz in der Sinnesweise Friedrichs: er ergriff die erste Gelegen- 
heit, den Grundsatz der Toleranz so stark wie möglich auszusprechen. 
Gleich dem ersten Monat seiner Regierung gehört jene vielbesprochene 
Marginalresolution an: alle Religionen seien zu dulden, keine solle 
der andern Abbruch thun; in den preußischen Landen könne ein Jeder 
nach seiner Facon selig werden. Ein Ausdruck, der sich nur dadurch 
erklärt, daß er dem Anspruch der verschiedenen Bekenntnisse, die allein- 
seligmachende Lehre zu besitzen, entgegengesetzt ist. Aber man wird 
nicht glauben, daß Friedrich damit die Bekehrungssucht katholischer 
Priester habe bestätigen wollen 2), noch auch, daß ihm eine Auflösung 
1) Laspeyres' Geschichte und heutige Verfassung der katholischen Kirche 
Preußens 219, 265. 
2) So versteht es Büsching, der diese Marginalresolution (vom 22. Juni 
1740) in seinem Buch, Charakter Friedrichs II, mitgetheilt (in dem Archiv 
hat man sich vergeblich bemüht, das Original aufzufinden) auf S. 118 wirklich,
	        
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