Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

300 Siebentes Buch. Drittes Capitel. 
Was den Londoner Hof anbetrifft, unterschied er zwischen den Ab- 
sichten der Krone England und denen des Hauses Hannover. Mit 
jenem habe Preußen keinen wesentlichen Streitpunkt, und außer den 
religiösen auch noch manche andere gemeinschaftliche Interessen; da- 
gegen erhebe Hannover mancherlei Territorialansprüche im Gegensatz 
mit Preußen, und wolle dies nicht weiter emporkommen lassen. Er 
seinerseits habe als Christ Georg II Alles verziehen, wodurch er von 
demselben beleidigt worden, aber sich besser dabei befunden, so lange 
er in keinem genauen Verhältniß zu ihm gestanden habe. Jetzt 
sehe dieser Fürst eine Regierungsveränderung im Hause Brandenburg 
voraus, ohne Zweifel nur deshalb sei er aus England herübergekom- 
men, um den Prinzen im ersten Augenblicke nach seiner Thronbestei- 
gung auf seine Seite zu ziehen. Es scheine, als gehe er damit um, 
eine große Allianz gegen Frankreich zu Stande zu bringen. Der 
Prinz möge sich vorsehen und sich nicht allzu eilig anschließen 1); sich 
gute Bedingungen ausmachen, und vor allem niemals zugeben, daß 
man ihm die letzten Absichten einer verabredeten Verbindung ver- 
borgen halte, ihn als einen nicht vollkommen Gleichstehenden behandle. 
An Frankreich sich anzuschließen, oder auch ihm zu widerstehen, nach 
Lage der Umstände, habe sich das königliche Kurhaus von jeher vor- 
behalten. In der letzten Zeit habe er, der König, mit dieser Macht 
einen Vertrag geschlossen, kraft dessen Preußen hoffen dürfe, zunächst 
festen Fuß im Bergischen zu fassen; durch die widrige Gesinnung 
der übrigen Mächte sei er bewogen worden, darauf einzugehen; und 
schon trage man von jener Seite auf ein noch engeres Verständniß 
an; er denke aber, der Prinz werde es nicht annehmen, wenn Frank- 
reich nicht auch den Theil von Berg bewillige, den es noch zurück- 
halten wolle. Im Allgemeinen gab Friedrich Wilhelm seinem Sohne 
den Rath, Allianzen lieber zu vermeiden, mit fremden Gesandten sich 
nicht zu viel in persönlichen Verkehr einzulassen, denn deren Absicht 
sei immer dahin gerichtet, hinter seine Geheimnisse zu kommen: ehe 
er zu den Waffen greife, möge er wohl bedenken, daß man nicht 
immer Meister bleibe, einen Krieg nach Belieben wieder zu beenden; 
sei es aber nicht anders, und erfordere es die unausweichliche Noth- 
wendigkeit, so möge er alsdann seine Macht beisammenhalten und 
seinen Entschluß mit Standhaftigkeit durchführen. 
1) Allianzen wären zwar guth vor die Ministres, so dazu gebraucht wür- 
den wegen der Presenten so es dabei setzte, aber selten convenabel vor ihre 
Principalen, weil die wenigsten Tractate und Bündnisse gehalten würden.
	        
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