Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

304 Siebentes Buch. Drittes Capitel. 
die ihn mit seinem Vater in das heftigste Zerwürfniß gebracht hatte, 
nun, da er sein eigener Herr geworden war, ausführen. Die gewandte 
Gastlichkeit, die Friedrich, sowie andere gute Eigenschaften der besseren 
Gesellschaft, in den Franzosen voraussetzte, traf er nicht an. 
Es war sehr leicht, sein Incognito zu durchschauen. Vor den 
Augen des letzten Postmeisters in Kehl hatte er sich selbst den Paß 
ausgestellt, dessen er bedurfte 1), und ihn mit dem kleinen königlichen 
Petschaft, das er bei sich führte, besiegelt; man hätte ihn wohl zu- 
gleich mit der Ehrfurcht, die seinem wahren Range gebührte, und 
der Freiheit des Umganges, die sein angenommener Name gestattete, 
eimpfangen können; aber Alle, mit denen er in Berührung kam, 
suchten ihm mit zudringlicher Neugier nur das ausdrückliche Geständniß 
seines Ranges abzugewinnen; von dem Gouverneur der Festung, 
Marschall Broglie, darf man wohl sagen, daß er eben das Gegen- 
theil von dem that, was an der Zeit gewesen wäre; er ließ den 
Ankommenden, der ihm einen Besuch machte, lange im Vorzimmer 
warten, und begrüßte ihn dann als Majestät; er sprach nicht von 
dem unerwarteten Glück, das ihm zu Theil werde, einen König von 
Preußen bei sich zu sehen, sondern erging sich in Erinnerungen an 
sein Commando in Italien und den Erfolg seiner eigenen Heer- 
führung. Dann erschien Madame de Broglie, welche den König 
empfing, wie eine Fürstin einen einfachen Reisenden zu empfangen 
pflegt. Der Marschall selbst soll sich sogar seiner Amtspflicht als 
Gouverneur erinnert, und einen Augenblick den Gedanten gehegt 
haben, den mit einem ungenügenden Passe Versehenen in Unannehm= 
lichkeiten zu verwickeln?). Der König eilte, das Land zu verlassen, 
wo er wenigstens die gesellschaftliche Cultur nicht antraf, die er 
voraussetzte. 
Auch seine Unterhandlung in Versailles, oder vielmehr in Com- 
piegne, wohin sich der französische Hof in diesem Augenblick begeben 
hatte, führte mit Nichten zu dem Erfolge, den er erwartete. 
1) Ich benutze hier einen Aufsatz, welchen Manteuffel aus den Er- 
zählungen der Zurückgekommenen unter dem Titel: Anecdotes de Strasbourg 
zusammenstellte. (Im Dresdener Archiv.) Was man sonst darüber berichtet, 
ist aus unverbürgten Zeitungsnachrichten und versificirten Sarcasmen zweifel- 
hafter Echtheit zusammengewebt. 
2) In einer späteren Notiz bei den Depeschen von Velleiele im Pariser 
Archiv heißt es: M’ de Broglie avoit marqué qduclquec disposition, à le 
faire arröter, croyant que ce prince auroit da s'annoncer publiquement 
ou simplement se monir d’'un passeport.
	        
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