Auswärtige Geschäfte in den ersten Monaten. 305
Cardinal Fleury, der die schmeichelhaften Ausdrücke, die in dem
Briefe des Königs vorkamen!), mit selbstgenügsamem Wohlgefallen
aufnahm, und gegen die ersten Anträge von Camas nur schwache
Einwendungen vorbrachte, die leicht zu beseitigen schienen, antwortete
doch bald darauf in ablehnendem Tone. Er besaß eine einzige Ge-
schicklichkeit, die Fäden der Politik in seiner Weise fortzuspinnen: auf
neue Umstände, welche dieselbe durchkreuzten, Rücksicht zu nehmen,
war nicht so sehr seine Sache. Jetzt gab er ein gewisses Erstaunen
darüber zu erkennen, daß der junge König über einen Vertrag, der
seinen Vater zufrieden gestellt hatte, sich mit so wenig Genugthuung
äußere. Die Ministerialbeamten, die in dem gewöhnlichen Laufe der
Angelegenheiten überall eine große Stimme führen, waren entschieden
gegen die preußischen Anträge. Sie wollten nicht Wort haben, daß
die Umstände verändert seien, denn nur aus Rücksicht auf die Zukunft
und den jetzigen König habe Frankreich dem verstorbenen jene Zu-
geständnisse gemacht, und dadurch die alten Verbündeten, die Häuser
Pfalz und Baiern nicht wenig verletzt: wenn es einen Schritt weiter
gehe, werde es das Zutrauen der katholischen Fürsten vollends
verlieren.
Noch einen anderen Grund aber als diese Rücksicht alter Freund-
schaft glaubten Camas und der ordentliche Gesandte, Chambrier, für
die Weigerungen der Franzosen wahrzunehmen: und einen solchen
zwar, der sich nicht beseitigen ließ. Es schien ihnen, als erblicke die
französische Politik einen großen Vortheil darin, Düsseldorf und das
Rheinufer in künftigen Kriegsfällen zum Uebergang über den Rhein
benutzen zu können, wozu es in den Händen einer schwächeren Macht,
aber nimmermehr einer stärkeren dienen könne 2). -
Die Unterhandlungen wurden darum nicht sogleich abgebrochen.
Der Cardinal stellte in Aussicht, daß er vielleicht künftig einmal
etwas mehr bewilligen könne; mit allem seinem Blute werde er trachten
dem König von Preußen Genugthuung zu geben; aber zugleich wieder-
holte er auch, er dürfe einen Fürsten nicht verletzen, der sein ganzes
Vertrauen auf Frankreich setze und dessen Garantie für sich habe.
Camas meinte, er werde nie etwas thun und denke nur Preußen
durch unbestimmte Versprechungen festzuhalten.
1) Camas: II pésoit les mots ct répétoit à voix bassc les expres-
sions, dui le touchoient le plus.
) Duns le vue de conserver pour la France sous le nom de 1’Elec-
teur palatin ce passage sur le bas Rhin par on il peut aller (le roi)
on il voudra sans s'embarrasser de Wesel (Camas 26. Juli).
v. NRanke's Were XXNVII. XXNVII/ 20)