Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

312 Siebentes Buch. Drittes Capitel. 
sächlich aber die Verdrießlichkeiten, die ihm ein Landfriedensbruch am 
kaiserlichen Hofe zuziehen könne. 
Man sieht: Alles befand sich dort in größter Unordnung und 
Verwirrung, als Friedrich II den Thron bestieg. Es war eigentlich 
von den Angelegenheiten, die ihm vorgelegt wurden, die erste, deren 
Entscheidung von dringender Nothwendigkeit war. 
Einer der älteren Minister seines Vaters, Thulemeier, rieth ihm, 
sich in das Unabänderliche zu fügen, die Lehen bei den Höfen in 
Brüssel und Lüttich zu nehmen, die Freiheiten der Unterthanen zu 
bestätigen, den Drost, über den sie klagten, abzuberufen. 
Dagegen aber setzten sich die dort bisher in Thätigkeit gewesenen 
Beamten, eben dieser Drost, von Kreyzen, und der geheime Nath 
Rambonnet. Sie brachten Beweise bei, daß die früheren Erbherren 
Eingriffe, wie sie jetzt geschehen, niemals geduldet; das Recht der 
Reichsunmittelbarkeit liege durch die Schriften, in denen man es ver- 
theidigt, klar am Tage; ein König von Preußen dürfe unter keinen 
Umständen aufgeben, was die Prinzen von Oranien behauptet hatten. 
König Friedrich sagte: er werde ebenfalls den Weg der Güte 
versuchen; wenn er damit nicht zum Ziele komme, so werde er wissen, 
sich selbst Gerechtigkeit zu verschaffen 1). Unerträglich war ihm ohnehin 
die Vermischung einer nie zu Ende kommenden Justiz mit den Ab- 
sichten der Politik, der Zustand von Rechtlosigkeit, der daraus ent- 
sprang, und gegen den sich nichts machen ließ. Er war entschlossen, 
hiebei auf den Kaiser, der als Herzog von Brabant auch in dieser 
Sache ein Interesse gegen ihn habe, keine Rücksicht zu nehmen; der 
möge chedem stark gewesen sein, jetzt sei er durch Frankreich tief 
heruntergedrückt, und nur ein Phantom, ein Idol ohne alle Macht. 
In Herstall oder Lüttich aber auf dem Wege der Güte durch- 
zudringen, zeigte sich bald unmöglich. Die Unterthanen weigerten 
sich, die Huldigung zu leisten, wenn nicht der König zuvor die Lehen 
von den beiden Lehnshöfen empfangen habe, wodurch die Reichs- 
unmittelbarkeit aufgegeben worden wäre; sie forderten sogar, daß die 
vermeinten Lehnsherren die Privilegien des Landes dem Erbherrn 
gegenüber bestätigen sollten. " 
1) In dem Manifest, das in Wesel eigenhändig vom König entworsen, aber 
schon in der Abschrift des Cabinetssecretärs ermäßigt worden, wie sich versteht, 
auf des Königs eigene Anweisung, heißt es: n'ayant donc aucun autte moyen, 
d’avoir justice, qu'en se la faisant soi meme et le roi étant autsez grand. 
Prince, pour pouvoir se Padministrer il fera sentir au princo de Liège 
tout le tort, qu’il a eu d'abuser si indignement de sa modération.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.