318 Siebentes Buch. Biertes Capitel.
würde das auch mit Spanien, beiden Sicilien und dem süblichen
Amerika geschehen sein, während im Reiche die conföderative Gewalt,
die auf einem Einverständniß der vornehmsten Geschlechter mit dem
obersten Haupte beruhte, und bei der eine allgemeine freie Ent-
wickelung bestehen konnte, unendlich verstärkt worden wäre.
Indessen konnte man bei der Richtung, die das tridentinische
Concilium und Philipp II nahmen, diesen Gedanken in Deutschland
selbst nicht festhalten: die spanische Linie sah sich ohnehin durch ihre
europäische Stellung auf Familienverbindungen mit Portugal, Sa-
voyen, den deutschen Stammesvettern und hauptsächlich mit Frank-
reich angewiesen; und welch einen ganz andern Gang hatten zuletzt
auch die Ereignisse genommen! Spanien und Indien waren den
Bourbonen zu Theil geworden; diese hatten dann den Gedanken ge-
faßt, sich auch der italienischen Besitzthümer, sei es durch Krieg oder
durch Vermählung, zu bemächtigen; und wenigstens das Königreich
beider Sicilien war ihnen verblieben.
Nun aber war auch die deutsche Linie erloschen; der Fall trat
ein, den man in Europa so lange vorausgesehen und erwartet, auf
den die gesammte Politik sich schon vorlängst gerichtet hatte.
Einige Verbindungen mit deutschen Fürstenhäusern hatte die
deutsche Linie des Hauses Oesterreich doch von Zeit zu Zeit ge-
schlossen. Wir erwähnten schon, welche Pläne die letzten Vermäh=
lungen der Töchter des älteren Bruders, Kaiser Joseph I, in die
Häuser Baiern und Sachsen, in Europa erweckt hatten. Lange war,
besonders von Frankreich her, darüber unterhandelt worden, diese
dem Erbrecht der Maria Theresia entgegenzusetzen. Man hegte wohl
den Gedanken, diese Fürstin in Italien zu befriedigen, dagegen Ungarn,
Böhmen und die deutschen Länder zwischen Sachsen und Baiern zu
vertheilen.
Nun besaß aber das Haus Baiern noch einen ihm eigenthüm-
lichen, aus alten Zeiten stammenden, ihm für ein bedeutendes Ver-
dienst zugefallenen Anspruch.
In den religiösen Kämpfen des sechszehnten Jahrhunderts trat
ein Augenblick ein, wo sich in den Reichscollegien statt der katho-
lischen eine protestantische Majorität zu bilden schien, und die Stellung
Kaiser Carl V, und des Hauses Oesterreich überhaupt ernstlich be-
droht wurde. In dieser Gefahr, aus welcher der schmalkaldische
Krieg hervorging, ist es für das Erzhaus von unbeschreiblichem
Nutzen gewesen, daß es Baiern auf seine Seite brachte. Der
Krieg hätte eine ganz andere Wendung nehmen müssen, wenn ihm