Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Ursprung der Unternehmung auf Schlesien. 319 
dies nicht gelungen wäre, und zwar so rasch und geheimnißvoll, wie 
es geschah. 
Dafür aber war nun auch dem Hause Baiern ein Anrecht an 
die Nachfolge in den deutschen Erblanden, Böhmen und seinen Neben- 
landen und sogar Ungarn, für den Fall des Abganges des öster- 
reichischen Mannsstammes zugeeignet worden. Die Verzichtleistung, 
welche die damals in das baierische Haus vermählte Erzherzogin 
Anna unterzeichnete, sollte aufgehoben sein, wenn die männlichen 
Nachkommen eihres Vaters und ihres Oheims abgingen und keiner 
mehr vorhanden wäre 1). Ob dadurch alle Ansprüche späterer Erb- 
töchter rechtsgültig ausgeschlossen worden sind, ist eine andere Frage; 
schon die Testamente Kaiser Ferdinand I, der den Vertrag geschlossen 
hat, lauten keineswegs so unumwunden auf den Abgang der männ- 
lichen Leibeserben allein, und man hatte in München Unrecht, dies 
doch aus dem Wortlaut heraus erklären zu wollen; — glücklicher- 
weise hat jedoch der Geschichtsschreiber die zweifelhaften Rechtsfragen 
nicht zu erörtern; eine angemaßte Entscheidung in dieser Beziehung 
würde nur seine Unparteilichkeit beschränken; es muß ihm genug sein, 
wenn er bemerkt, daß ein Anspruch mit Grund gemacht werden 
konnte, daß der, welcher ihn erhob, von seinem Rechte überzeugt 
war. Außer allem Zweifel ist dies bei dem Kurfürsten Carl Albrecht 
von Baiern. Noch in den letzten Monaten vor dem Tode des Kai- 
sers hatte er mit großem Eifer an seine Erbfolgeansprüche erinnert. 
Er sprach die Meinung aus, daß durch Ferdinand 1, der als der 
erste Erwerber angesehen werden müsse, für den Fall des Aussterbens 
seines Mannsstammes die Nachkommen seiner Tochter Anna sub- 
stituirt worden seien, und forderte die Mittheilung des Testamentes, 
das diese Substitution enthalten müsse; Carl VI habe kein Recht, 
über eine Erbschaft zu verfügen, die seit zwei Jahrhunderten mit 
einem Fideicommiß beladen gewesen sei; er leugnete die Rechtsbestän- 
digkeit der pragmatischen Sanction. 
Wir sahen, wie dieses Hausgesetz entstand, in den verschiedenen 
Landschaften, und alsdann von den europäischen Mächten anerkannt 
ward. Es geschah nicht allemal deshalb, weil der Anspruch Maria 
Theresia's von jedermann rechtlich für den besseren gehalten worden 
wäre, sondern aus politischen Gründen, die entweder in den vor- 
1) Vertrag vom 19. Juni 1546, gegründet auf einen andern vorläunsigen 
vom 22. April 1535, durch welchen zugleich die Primogenitur in Baiern fest- 
gesetzt worden. Vgll. Stumpf, Baierus politische Geschichte 146.
	        
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