Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

320 Siebentes Buch. Viertes Capitel. 
liegenden Unterhandlungen, oder in der Ueberzeugung lagen, daß 
eine Monarchie wie diese für das Gleichgewicht von Europa noth- 
wendig sei. 
Was aber auch immer darüber festgesetzt war, so hegten doch 
Viele fortwährend die Meinung, daß es dabei sein Verbleiben nicht 
haben werde. Man bemerkte mit Erstaunen, daß in den letzten 
Friedensschlüssen der baierischen Ansprüche nicht ausdrücklich gedacht 
war. Man wollte nicht glauben, daß Carl Albrecht sie so lebhaft 
in Anregung bringen würde, wäre er nicht der Unterstützung von 
Frankreich versichert. Und lag nicht in der That der vornehmste 
Grund der Aufrechthaltung der Monarchie eben in ihrem alten Beruf, 
sich den Uebergriffen von Frankreich entgegenzusetzen? Ein größeres 
Interesse gab es für Frankreich auf dem Continente nicht, als sich 
dieser Nebenbuhlerschaft zu entledigen. Es war eine sehr natürliche 
und sehr verbreitete Meinung, daß es darüber zu einem europäischen 
Kriege kommen werde. Der venetianische Gesandte, Niccolo Erizzo, 
schließt seinen Bericht über die Verhandlungen zur Festsetzung der 
Erbfolge mit der Bemerkung, es sei nur allzu gewiß, daß sich beim 
Tode des Kaisers ein Schauspiel von tragischen Auftritten eröffnen 
werde, allen Vorkehrungen zum Trotz 1). Das Emporkommen des 
Hauses Oesterreich, sagt ein anderer, hat der Christenheit vièl Blut 
gekostet; noch mehr könnte ihr der Abgang desselben kosten. 
Und wie sich oft den Betheiligten im ersten Augenblick, wo ein 
dunkles Gefühl der allgemeinen Lage die Gemüther ergreift, die Dinge 
am richtigsten darstellen, so waren die kaiserlichen Minister unmittel- 
bar nach dem Tode des Kaisers davon durchdrungen, daß ihnen ein 
großer und gefährlicher Angriff bevorstehe. Sie sahen, sagt der eng- 
lische Gesandte, im Geiste Ungarn von den Türken angegriffen, 
Oesterreich von den Baiern, Böhmen von den Sachsen, die Ungarn 
selbst in den Waffen, und Frankreich die Seele von allem. 
Selbst daran kann man nicht zweifeln, daß Carl Albrecht in 
Oesterreich Anhänger und Freunde hatte. Der hohe Adel hätte we- 
nigstens gewünscht, daß er auf irgend eine Art, vielleicht durch eine 
Vermählung seines Sohnes mit der jüngeren Erzherzogin, vielleicht 
mit einigen Gebietsabtretungen zufriedengestellt worden wäre. Das 
gemeine Volk, das wegen gestiegener Getreidepreise und drückender 
1) In qualunque maniera succedendo la morte dell’ impberatore senza 
maschi pub pur troppo tenersi con fondamento che grande sara la tra- 
gelin che si aprira in tal caso.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.