Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

334 Siebentes Buch. Viertes Capitel. 
gang der Rüstung erfüllten ihn alle Tage mit größerem Muth und 
Vertrauen. Sollte aber etwas geschehen, so war kein Augenblick zu 
verlieren. Friedrich hielt für nothwendig, noch vor dem völligen Ein- 
tritt des Winters Schlesien zu besetzen; wolle er ohnedies in Unter- 
handlung treten, so werde man ihm beschwerliche Bedingungen auf- 
legen, um ihm unbedeutende Dinge zu bewilligen. 
Wir arbeiten hier sehr ernstlich, schreibt er am 15. November. 
Ich will die kühnste, unerwartetste, größte Unternehmung beginnen, 
welche je ein Fürst meines Hauses gewagt hat. Der Zustand meiner 
Truppen läßt einen glücklichen Erfolg hoffen, mein Herz ist erfüllt 
von guten Vorahnungen. 4 " 
Und dabei blieb es nun, daß man die Linie der Politik ein- 
hielt, die von den Ministern vorgezogen worden war. 
Den Franzosen geschah keinerlei Mittheilung: weder nach Paris, 
noch den in Berlin anwesenden. 
Der zur Gegenbegrüßung Friedrichs herbeigeschickte außerordent- 
liche Gesandte, Marquis de Beauvau, betroffen, daß er nicht nach 
Rheinsberg eingeladen wurde, erschöpfte sich in Vermuthungen über 
den eigentlichen Zweck der Rüstungen, die Jedermann wahrnahm, traf 
zuweilen das Richtige, aber ohne es festzuhalten, und faßte zuletzt 
die Ansicht, daß der König eher als ein Gegner von Frankreich zu 
betrachten sei, und dies Land zu schwächen wünsche. So sah auch 
der regelmäßige Gesandte Valori die Sache an. Er meinte fast, 
zwischen dem Großherzog von Toskana und dem König von Preußen 
bestehe ein freimaurerisches Einverständniß, denn Beide seien Mit- 
glieder dieses Ordens. Eben war Voltaire, der dem König schon in 
Wesel einen Besuch gemacht hatte, in Berlin angekommen. Er zeigte 
sich als einen jener lediglich literarischen Menschen, welche die Welt 
hauptsächlich als einen Gegenstand für ihr Talent ansehen; seine 
funkensprühende Conversation ward bewundert; man weinte, wo er 
eine seiner Tragödien vorlas; er selber faßte nicht die mindeste Theil- 
nahme. Schon in Wesel zeigte sich dies. König Friedrich empfing 
ihn in einem Anfall des Quartanfiebers, an dem er damals litt; 
Voltaire hat über die ärmliche Umgebung, in welcher er ihn fand, 
gespottet. Seine Anwesenheit in Berlin schien er hauptsächlich dazu 
benutzen zu wollen, um das ehemalige Verhältniß zwischen Preußen 
und dem französischen Hofe wieder anzuknüpfen. Einen Brief des 
Cardinals, den er erhielt, voll gesuchter Schmeicheleien für den König, 
legte er diesem auf der Stelle vor. Aber das ganze preußische Wesen. 
erschien in seinen Augen doch kümmerlich. Er erfand für Friedrich
	        
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