Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

368 Achtes Buch. Erstes Capitel. 
des Hofes!) nachdrücklich entgegen; er suchte nicht mit mancherlei 
Wissen zu glänzen wie Sinzendorf: der Unterricht, den er einst in 
Rom genossen, hatte weniger sein Gedächtniß angefüllt, als sein Ur- 
theil geschärft, und Scharfsinn ist wohl die Eigenschaft, die am 
wenigsten von den Jahren getrübt wird. Starhemberg war unbe- 
stechlich, streng katholisch und hielt an den alten Maximen der Mon- 
archie fest; er war immer ein Gegner Sinzendorfs gewesen: früher mit 
Prinz Eugen gegen denselben verbündet, war zuletzt auch Starhem- 
berg mit Eugen zerfallen, dessen Hinneigung zu Preußen er nicht 
billigte. Auf die großen Geschäfte hatte er doch in den letzten Jahren 
Carls VI keinen entscheidenden Einfluß. Es genügte ihm dann, sich 
auszusprechen; hierauf schien er zu erschlaffen oder machte seinem Un- 
willen in unfruchtbaren Sarkasmen Luft. 
In der Conferenz saßen noch die Grafen Königsegg und Har- 
rach. Der erste ein Mann von Bildung und den mannichfaltigsten 
Kenntnissen; aber er wird als unentschlossen und ängstlich geschildert. 
Man wußte nicht, ob er sich mehr aus Schwäche des Charakters oder 
aus Vorsicht und vermeinter Klugheit in den Hintergrund zurückziehe. 
Das vergebliche und kaum eingestandene Widerstreben gegen einen 
höheren Willen, den sie nicht bekämpfen durften, und den sie doch 
nicht für wohlgeleitet hielten, hatte in ihnen allen eine Abspannung 
hervorgebracht, welche die Dinge gehen läßt wie sie mögen. 
An die Stelle des Kaisers trat nun zwischen ihnen dessen drei- 
undzwanzigjährige Tochter, an der man bisher besonders jugendlich 
aufblühende Frauenschönheit und eine ruhig fortschreitende Bildung 
nach dem Maße des ihr zu Theil gewordenen Unterrichts bewundert 
hatte. Sie hatte auch Latein gelernt, und ihr Lehrer wenigstens ver- 
sicherte, sie wisse in den Autoren, die er mit ihr lese, deren Eigen- 
thümlichkeit zu unterscheiden 2); sie zeigte in Allem, was sie trieb, 
Methode und feinen Sinn: im Umgange Ruhe und Ernst, nicht 
ohne Grazie. „Was ihr aber“, sagt ein Venetianer von 1738, „den 
höchsten Werth verleiht, ist die Erhebung des Geistes, die sie an den 
Tag legt, verbunden mit ciner gewissen Männlichkeit des Gemüthes?): 
1) Foscarini Storia arcana: allegava, che tolto ü credito del banco 
scioglierasi Punico vincolo rimasto alla publica fede. Er fungirte als 
Ministerialb D i äsident bei der Wiener Stadtbank, die er 1705 
errichtet hatte. 
2) Nach Kolinowics redet sie in Presburg 1741 idiomate latino polito 
illo nec vulgari cujus gnarissima est. 
3) Elevatezza del suo Spirito congiunto ad una ccerta virilità d'animo,
	        
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