Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Inneres und äußeres Verhältniß des Wiener Hofes. 369 
man sieht, daß sie fühlt, wozu sie geboren ist, und darf glauben, 
daß ihre Rathgeber dereinst keine despotische Gewalt über sie aus- 
üben werden.“ Man sollte nicht vergessen, daß in ihr noch anderes 
Geblüt wallte, als das alterzherzogliche der einen oder der andern 
Linie des Hauses Oesterreich-Spanien. Sie war eine Welfin von 
Herkunft. Ihre Mutter war die Tochter des energisch aufstreben- 
den Rudolph Wilhelm von Blankenburg im Harz, und nicht ohne 
innern Kampf zum Katholicismus übergetreten. Nachdem Maria 
Theresia die für sie in ihrem Zustande doppelt schweren Tage 
der Krankheit und des Todes ihres Vaters überstanden, empfing 
sie die Huldigung ihrer Minister, die sie als Königin von Ungarn 
und Böhmen begrüßten; ihre Worte waren von Schluchzen unter- 
brochen; unverzüglich aber begann sie ihr Amt auszuüben und an 
den Conferenzen thätigen Theil zu nehmen. Die älteren Minister 
hatten sich wohl geschmeichelt, bei dem Throntwechsel das frühere An- 
sehen, von dem sie glaubten, daß es ihnen gebühre, wiederzuerlangen. 
Aus dem Munde Sinzendorfs wissen wir, daß sie deshalb vornehmlich 
den Großherzog, auf den sie zählen konnten, zur Würde eines Mit- 
regenten beförderten. Maria Theresia liebte ihren Gemahl mit vollem 
Herzen, war um so mehr für seine Beförderung, da sie durch ihn den 
Glanz des kaiserlichen Namens bei ihrem Hause zu behaupten hoffte: 
allein ihre crerbte Macht mit ihm zu theilen, ihm wesentlichen Einfluß 
auf die Regierung zu gestatten, war sie nicht gesonnen. In der 
Geschichte der Königinnen ist es eine seltene Erscheinung, wie sie für 
ihre häuslich weiblichen Pflichten und ihre Herrscherbefugnisse ein gleich 
lebendiges Gefühl hegt, sie aber auseinander hält. Das von Jugend 
auf in ihr genährte Bewußtsein, daß sie die geborene Herrin sei, 
empfing in ihr überdies durch eine gewisse Pietät eine bestimmte 
Farbe und Richtung: sie wollte selber regieren, wie ihr erlauchter 
Vater; aber dieser selbst hatte sie von den Staatsangelegenheiten ent- 
fernt gehalten und aus Ehrfurcht vor ihm hatte sie es vermieden, 
sich um sie zu bekümmern; sie war derselben vollkommen unkundig, 
als sie zur Leitung des Staates berufen wurde. Ihrer Unerfahren- 
heit sich bewußt, suchte sie sich zuerst nur zu unterrichten. Sinzen- 
dorf übernahm ee, sie zu informiren; sie war von dem Mißtrauen 
ergriffen, das alle Welt gegen ihn hegte und zog ihm Starhemberg 
bei weitem vor. Bald nach ihrem Regierungsantritt hören wir sagen, 
atto oggimai a trattare facende grandi, e gia mostra di sentire la sua 
fortuna etc. 
v. Nanke's Werke XXVII. XXVIII. 24
	        
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