Inneres und äußeres Verhältniß des Wiener Hofes. 369
man sieht, daß sie fühlt, wozu sie geboren ist, und darf glauben,
daß ihre Rathgeber dereinst keine despotische Gewalt über sie aus-
üben werden.“ Man sollte nicht vergessen, daß in ihr noch anderes
Geblüt wallte, als das alterzherzogliche der einen oder der andern
Linie des Hauses Oesterreich-Spanien. Sie war eine Welfin von
Herkunft. Ihre Mutter war die Tochter des energisch aufstreben-
den Rudolph Wilhelm von Blankenburg im Harz, und nicht ohne
innern Kampf zum Katholicismus übergetreten. Nachdem Maria
Theresia die für sie in ihrem Zustande doppelt schweren Tage
der Krankheit und des Todes ihres Vaters überstanden, empfing
sie die Huldigung ihrer Minister, die sie als Königin von Ungarn
und Böhmen begrüßten; ihre Worte waren von Schluchzen unter-
brochen; unverzüglich aber begann sie ihr Amt auszuüben und an
den Conferenzen thätigen Theil zu nehmen. Die älteren Minister
hatten sich wohl geschmeichelt, bei dem Throntwechsel das frühere An-
sehen, von dem sie glaubten, daß es ihnen gebühre, wiederzuerlangen.
Aus dem Munde Sinzendorfs wissen wir, daß sie deshalb vornehmlich
den Großherzog, auf den sie zählen konnten, zur Würde eines Mit-
regenten beförderten. Maria Theresia liebte ihren Gemahl mit vollem
Herzen, war um so mehr für seine Beförderung, da sie durch ihn den
Glanz des kaiserlichen Namens bei ihrem Hause zu behaupten hoffte:
allein ihre crerbte Macht mit ihm zu theilen, ihm wesentlichen Einfluß
auf die Regierung zu gestatten, war sie nicht gesonnen. In der
Geschichte der Königinnen ist es eine seltene Erscheinung, wie sie für
ihre häuslich weiblichen Pflichten und ihre Herrscherbefugnisse ein gleich
lebendiges Gefühl hegt, sie aber auseinander hält. Das von Jugend
auf in ihr genährte Bewußtsein, daß sie die geborene Herrin sei,
empfing in ihr überdies durch eine gewisse Pietät eine bestimmte
Farbe und Richtung: sie wollte selber regieren, wie ihr erlauchter
Vater; aber dieser selbst hatte sie von den Staatsangelegenheiten ent-
fernt gehalten und aus Ehrfurcht vor ihm hatte sie es vermieden,
sich um sie zu bekümmern; sie war derselben vollkommen unkundig,
als sie zur Leitung des Staates berufen wurde. Ihrer Unerfahren-
heit sich bewußt, suchte sie sich zuerst nur zu unterrichten. Sinzen-
dorf übernahm ee, sie zu informiren; sie war von dem Mißtrauen
ergriffen, das alle Welt gegen ihn hegte und zog ihm Starhemberg
bei weitem vor. Bald nach ihrem Regierungsantritt hören wir sagen,
atto oggimai a trattare facende grandi, e gia mostra di sentire la sua
fortuna etc.
v. Nanke's Werke XXVII. XXVIII. 24