Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Schlesischer Feldzug im Frühjahr 1741. 391 
aber, wie vor allen Anderen der alte Fürst von Dessau dem König 
bei seiner Anwesenheit in Berlin nahe legte, die Dinge nicht so ganz 
entsprachen. 
Der Fürst hatte nach dem Regierungswechsel schwere Tage ver- 
lebt. Während Friedrich Wilhelm 1 es ihm im voraus zu wissen 
that, wenn hundert Mann von einem Orte nach dem andern rücken 
sollten, ordnete Friedrich eine überaus ansehnliche Verstärkung seines 
Kriegsheeres an, ohne ihn zu Rathe zu ziehen, zeigte ihm bei jedem 
Begegnen Kälte und Verstimmung 1), unternahm endlich einen großen 
Kriegszug, ohne ihm ein Wort davon zu sagen. Bei dem ersten 
Gerüchte von dem schlesischen Vorhaben fleht ihn der Fürst gleichsam 
an, ihm, seinem ältesten General, nicht die Ungnade zu erweisen und 
ihn zurückzulassen; als dies doch geschieht, glaubt er sich beschimpft, 
Fleich als gelte er nicht für fähig, in einer wirklichen Kriegsoperation 
zu dienen: er wünsche sich tausend und tausend Mal den Tod, um 
den Rest seiner Tage nicht in einer für ihn unerträglichen Weise 
binzubringen. Ich finde weder eine Andeutung, daß der König an 
seiner Treue in diesen Conflicten mit dem Hause Oesterreich gezweifelt 
hätte, noch auch einen Grund dazu: in den vertraulichen Briefen des 
Fürsten an seinen ältesten Sohn liest man vielmehr, daß er das 
Unternehmen mit Nachdruck als „gerecht“, „so gerecht“ bezeichnet, und 
ihm Glück wünscht, daß er wenigstens daran Theil nehmen dürfe. 
Das Motiv Friedrichs war nicht politisches Mißtrauen, sondern ein- 
mal, was er dem Fürsten ganz unumwunden selber schreibt: man 
solle nicht sagen, der König von Preußen sei mit seinem Hofmeister zu 
Felde gezogen; und sodann: er wollte ihm zum Bewußtsein bringen, 
daß er allenfalls entbehrlich, daß er im Dienste nichts als Unterthan 
sei. Fürst Leopold verstand das sehr wohl; die Beschuldigung seiner 
Feinde, als denke er Einfluß auszuüben und dann die Ehre sich selber 
beizumessen, weist er mit der Versicherung zurück, daß er nichts 
wünsche, als nur die Befehle des Königs als treuer Diener auszu- 
führen, und sucht dies auch durch die That zu erhärten. Für die 
Werbung bei der Augmentation hat Niemand eifriger gearbeitet. So 
weit beherrschte er sich nicht, daß er von der Unternehmung auf 
Schlesien nicht Anfangs mit bitterer Mißbilligung gesprochen hätte, 
aber als sie in Gang gesetzt war, begleitete er sie mit eifriger Theil- 
nahme. An einer sehr ungenügenden Karte studirte er die geogra- 
phischen Verhältnisse, und knüpfte daran strategische Rathschläge. 
1) Leopold von Dessau selbst spricht von augenscheinlichem Haß.
	        
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