Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

394 Achtes Buch. Drittes Capitel. 
zeigte sich bei Wartha, dessen sich die Begleitung des Königs, der 
sofort zu Pferde saß, leicht erwehrte. Indem dieser über die Neiße 
zurückgetrieben wurde, und zugleich von Frankenstein ein paar hundert 
Mann zu Fuß anrückten, wagte auch die siegreich gebliebene Schaar 
nichts weiter; zufrieden mit einer Standarte, die sie erbeutet und 
einer Anzahl Gefangenen, die sie gemacht hatte, sprengte sie von 
dannen. Nur schade, sagt Lentulus bei der Erwähnung der Ge— 
fangenen in seiner Meldung sehr ruhis, daß der König nicht dar- 
unter ist 1). 
Dies Ereigniß — durch das Gerücht und später durch die Sage 
mannichfaltig ausgeschmückt — war aber in seiner nackten Wahrheit 
ernst und bedeutend genug, um den König auf sich aufmerksam zu 
machen. Er klagte sich gleich damals der Unvorsichtigkeit an:2), und 
gab den Warnungen des alten Dessauers, der sie auf das dringendste 
wiederholte, mehr Gehör; seine ganze Stellung faßte er mit minderer 
Zuversichtlichkeit ins Auge. 
Alle einlaufenden Nachrichten stimmten überein, daß der Feind 
wie in Glatz, so auch noch näher den vornehmsten Uebergängen über 
das Gebirge, in Braunau ansehnliche Verstärkungen an sich ziehe; es 
schien sich zu bewähren, daß er darauf sinne, nach der Ebene ein- 
zubrechen und den Entsatz von Glogau zu versuchen. Der König 
rief Alles, was sich anderswo entbehren ließ, in Schweidnitz, den 
ohnweit davon liegende Dorf (Baumgarten) gezogen, um den Rücken frei zu 
halten. Nach dem von Arneth, Maria Theresia I, 383, abgedruckten Be- 
richte von Lentulus an Neipperg, hatten die Husaren den König in einem 
sechsspännigen Wagen zu finden gemeint, in welchem der Abgeordnete des 
Fürstenthums Münsterberg heranfuhr, und diesen getödtet; einige Wider- 
sprüche finden sich in den verschiedenen Relationen; es ist wohl kaum der 
Mühe werth, den Versuch zu machen, sie auszugleichen. 
1) Der Feldprediger Seegebart hat ein lesenswürdiges Tagebuch über 
diesen Feldzug hinterlassen, dessen Mittheilung ich der Güte des Herrn Di- 
rector Fickert in Breslau verdanke. Das Gerllcht war, unter den öster- 
reichischen Husaren seien auch katholische Studenten gewesen, auf dem Pferde 
eines Andern, durch eine Grenadiermütze unkenntlich, habe sich der König ge- 
rettet. Sollte darin nicht der Ursprung anderer Erzählungen liegen, die 
später sehr populär geworden sind? Es wäre ein neues Beispiel davon, daß 
sich die Sagrn in die entgegengesetzten Auffassungen umsetzen. 
2) Er sagte das nicht allein in seinen Memoiren, in dem ersten Ent- 
wurf J’avoue mon étourdie, sondern schon im März 1714 dem französischen 
Gesandten: „II m ajouts que cette aventure le rendrait plus circonspect.“ 
(Dep. 15. März.)
	        
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