Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Schlesischer Feldzug im Frühjohr 1741. 401 
bereits am 5. des Mittags, unter dem Freudengeschrei der Einwohner 
in Neiße an. Er hätte daran denken können, durch eine rasche Be- 
setzung des Flusses den König in Oberschlesien abzuschneiden. Einen 
Versuch in der Nähe von Neiße bei Lassot über den Fluß zu gehen, 
mußte der König wirklich wieder aufgeben: das Ufer war schon in 
den Händen des Feindes, so daß er die Armee nicht mehr schlacht- 
gerecht hätte aufstellen können. Auf jeden Fall hatte Neipperg ein 
paar Märsche voraus, um vor ihm her in Niederschlesien einzudringen. 
Als Friedrich bei Michelau und Löwen über den Fluß ging, 
worauf er von den Truppen, die bei Brieg gestanden, den größten 
Theil an sich zog, bewegte sich Neipperg, mit Lentulus, der von Glatz 
herangekommen war, vereinigt, gegen Grotkau, das er einem vielleicht 
tapfern aber schwachen preußischen Commando ohne viele Mühe ab- 
gewann 1). Den Tag darauf setzte er seinen Marsch gegen Brieg 
und Ohlau fort. Säumniß könnte man ihm in der That nicht Schuld 
geben. Den Truppen, die durch den langen Marsch im Gebirge und 
im bösesten Wetter, — denn unaufhörlich fiel der Schnee in dicken 
Flocken —, ermüdet waren, gönnte er erst dann einen Rasttag, als 
sie in einer überaus bedeutenden Stellung angekommen waren. Er 
schlug sein Lager in der Nähe von Brieg auf, das sich noch in öster- 
reichischen Händen befand, gerade auf dem Wege, der von Neiße her 
nach Ohlau führt, in den Dörfern Mollwitz, Grüningen und Hünern. 
Dadurch rettete er Brieg und bedrohte zugleich Ohlau, wohin der 
König, nachdem die Oder aufgegangen, einen Theil seines Geschützes 
und einen guten Vorrath von Munition hatte bringen lassen, das er zu 
seinem vornehmsten Waffenplatz ausersehen hatte. Hauptsächlich aber 
gerieth der König strategisch in die ungünstigste Lage von der Welt. 
Da die Oesterreicher in diesem Augenblick auch schon nach Oppeln 
vordrangen, Neiße, Brieg, Grotkau und die große Straße nach Nieder- 
schlesien besetzt hielten, nahmen sie die Preußen gleichsam in die 
Mitte, die in unnatürlicher Richtung, mit der Stirn gegen Berlin 
gewendet, vorrückten ). 
1) In der bistoire de m. t. ch. 3 wird ein Lieutenant des Namens 
Mützschefahl dafür nicht wenig gelobt; Andere haben seinen Widerstand bezweifelt. 
Auch in einem Berichte Neippergs vom 8. April war doch davon die Rede: 
„Le commandant refusa d’abord de se rendre, mais voyant qu’il y avoit 
de Fartillerie il s#y resolut.“ 
2) Der König ist gerechter als viele Spätere: „J'étois plein d’estime 
pour Neipperg pour la belle marche qu'il avoit fait en entrant en 8i- 
lésie.“ (Alte Redaction der Memoiren.) 
v. Ranle's Werke XXVII. XXVIII. 26
	        
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