Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Schlacht bei Mollwitz. 407 
sehr gelitten hatte, war nicht zu denken um die Armee nicht einer 
vollkommenen Niederlage auszusetzen, mußte sich Neipperg zum Rück- 
zug entschließen. 
So maßen sich die beiden deutschen Kriegsmächte zum ersten 
Mal im offenen Felde miteinander. Es war ein Kampf der Zucht 
und Uebung einer strengen und wohl berechneten Schule mit einem 
auf die natürlichen Einrichtungen kriegerisch gesinnter Völkerschaften 
und traditionelle Kriegsführung beruhenden Heerwesen. Im östlichen 
Europa hatte von jeher die Ueberzahl und der Anlauf der Reiterei 
entschieden; hier behielt die Unerschütterlichkeit und, wenn wir so 
sagen dürfen, militärische Virtuosität des Fußvolkes den Platz. Die 
preußische Taktik warf die österreichische Strategie aus dem schon ge- 
wonnenen Vortheil 1). 
Die Preußen begnügten sich damit, den Wahlplatz inne zu haben, 
wo die Nacht beim Wachtfeuer zugebracht wurde. Zur Verfol- 
gung wurden selbst diejenigen nicht verwandt, welche eben aus 
Ohlau anlangten 2). Man fühlte, daß man für diesmal genug 
gethan hatte. 
Ein einziges Geschick, daß der junge Fürst, der durch die Energie 
seiner Anordnungen und Entschlüsse seit dem Tage, wo Neipperg 
in Oberschlesien einbrach, nicht wenig dazu beigetragen hatte, das 
Heer aus der widrigen Lage zu retten, in die es durch fremde und 
eigene Fehler gerathen war, nun das erste Gefühl des Sieges nicht 
theilte. Indem schon Alles entschieden war, ritt er mit geringer 
Begleitung im freien Felde dahin, und ging der Gefahr entgegen, 
der weniger er selbst, als seine besorgte Umgebung ihn zu entziehen 
gedacht hatte. 
Schwerins Meinung war gewesen, wenn es noch zum Rückzug 
komme, daß derselbe nach Oppeln, wohin ein Theil der Magazine 
gebracht war, genommen werden müsse. Dahin voraufzugehen, hatte 
1) Wir haben über die Schlacht ein bemerkeswerthes Schreiben des Kö- 
nigs, seine Erzählung in den Werken, officielle Relationen in den Zeitungen, 
Berichte und Briefe einiger preußischen und österreichischen Offiziere (Bülow, 
Annalen des Krieges, Bd. III, und im Nachlaß von Berenhorst); ich benutzte 
noch: die erste Redaction der Memoiren des Königs; die Erzählung Seege: 
barts; Valori und vornehmlich Extract Relationis d. d. Neiße 12. April, 
d. i. der Schlachtbericht Neippergs, in so weit er mittheilbar war. 
2) Es ist ohne Zweifel eine Uebertreibung der Grabschrift Geßlers zu 
St. Nicolai in Brieg, wenn diesem zugeschrieben wird, er habe den Feind in 
die Flucht gebracht. Ein anderer Ruhm erwartete Geßler.
	        
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