Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

424 Achtes Buch. Viertes Capitel. 
und den größten Gefahren ausgesetzt; zuletzt aber, nachdem seine 
Ansprüche nochmals zurückgewiesen, und alle anderen Mittel erschöpft 
waren, entschloß er sich dazu. 
Daran dachte in diesen Zeiten nun einmal Niemand, daß eine 
Sache wie diese unter den Deutschen allein ausgemacht werden sollte; 
ganz Europa mußte daran Theil haben. 
Ohnehin war es so weit gekommen, daß alle europäischen In- 
teressen nach Deutschland hineinreichten, und eine Rolle in unserem 
Vaterlande spielten, wie die dänischen durch Holstein, die schwedischen 
durch die Verbindung mit Hessen, so die englischen durch Hannover, 
die französischen durch Baiern. Rußland übte durch Sachsen Einfluß 
auf die innersten Angelegenheiten: Graf Brühl hat bekannt, er dürfe 
nicht wagen, einen alten Vertrag mit Hannover zu erneuern, ohne 
bei Rußland angefragt zu haben. In Wien nahm man auf die all- 
gemeine katholische Welt eine Rücksicht, vor der oft die deutschen 
Gesichtspunkte verschwanden. Wir berührten, wie man, ohne Serupel, 
die östlichen und westlichen Provinzen Preußens der halben Welt zur 
Beute gegeben hätte: man hat den Russen gesagt, es sei nicht gut 
für ihre Beziehungen zu Deutschland, daß Schlesien an Preußen 
komme. Wie hätte König Friedrich allein seine Verbindungen nach 
Ideen schließen sollen, die eigentlich nicht mehr im Bewußtsein des 
damals lebenden Geschlechtes waren? Es war ein großer europälscher 
Kampf; so mußte er ihn führen. Er glaubte jetzt mit Händen zu 
greifen, daß ihn England durch Unterhandlungen ohne Ende in Un- 
thätigkeit zu fesseln suche, bis Alles bereit sei, ihn zu verderben. Um 
es dahin nicht kommen zu lassen, befahl er Podewils, den mit Frank- 
reich entworfenen Vertrag abzuschließen, ohne irgend einen längeren 
Verzug, im tiefsten Geheimniß. Er erinnerte den Minister, sich nichts 
davon merken zu lassen, daß man die Engländer durchschaue, keinen 
Unwillen über die erhaltene Antwort zu erkennen zu geben; im Ge- 
heimniß, sagt er, liegt unser Heil. Vor allem dieses schärfte er ein: 
Podewils sollte mit Valori nur am dritten Ort zusammenkommen, 
den ganzen Tractat mit eigener Hand schreiben, denn auch der Ca- 
binetssecretär dürfe davon nichts erfahren; mit seinem Leben machte 
er den Minister für das Geheimniß verantwortlich. 
Es zu beobachten war auch besonders darum möglich, weil der 
Vertrag schon in allen seinen Artikeln so weit vorbereitet war, daß 
der Abschluß, wie Podewils sagt, innerhalb vierundzwanzig Stunden 
geschehen könne. 
Eigentlich gab es nur noch eine einzige, formelle Schwierigkeit
	        
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