Ausbruch des spanisch-österreichischen Erbfolgekrieges. 447
Schon im Anfang des Mai, als Belleisle seinen Weg von
Schlesien nach Baiern durch Sachsen nahm, und in Hubertsburg er-
schien, blieb wenig Zweifel an der Theilnahme Sachsens übrig: die
vornehmste Schwierigkeit lag in einer im voraus zu bestimmenden Aus-
einandersetzung mit Baiern. Der Graf von Brühl unterschied eine kleinere
und eine größere Theilung der Erbschaft Carls VI. Die kleine nannte er,
wenn man Böhmen und Oberschlesien erobere, das dann zwischen Baiern
und Sachsen zu vertheilen sei: die große, wenn man überdies auch
noch die Vorlande und Oberösterreich einnehme; dann könne dies
letztere an Baiern, Oberschlesien ganz an Sachsen kommen, Böhmen
zwischen beiden getheilt werden; wobei jedoch Prag an Sachsen fallen
müsse. Er war der Meinung, daß die erste auch dann möglich sei,
wenn man sich mit Preußen nicht einigen könne: Belleisle erwiederte,
daß er in diesem Falle weder die eine noch die andere für aus-
führbar halte 1). Was das Kaiserthum anlangt, worauf man in
Sachsen ebenfalls nicht Verzicht leistete, so meinte Brühl, man möge
den Ausschlag von der Mehrzahl der Kurfürsten abhängen lassen:
ohne Eifersucht und Hader. «
Darüber ward nun mit einem den Erfolg als unzweifelhaft
voraussetzenden Eifer verhandelt. Der Kurfürst von Baiern wollte
von keiner Theilung Böhmens hören: er schlug vor, Mähren mit in
die Theilungsmasse hineinzuziehen, und den sächsischen Hof in diesem
Lande zu befriedigen, dann wollte er allenfalls einen schmalen Streifen
von Böhmen zur Verbindung des Kurfürstenthums Sachsen mit der
neuen Erwerbung überlassen.
Die Canzleien des Cardinals waren viel beschäftigt, die gegen-
seitigen Forderungen auszugleichen, und er konnte sich um so mehr
ein genugthuendes Ergebniß versprechen, da nach menschlichem An-
sehen die Macht der Entscheidung in seinen Händen lag.
Als Richelien einst den Kampf mit dem Hause Oesterreich unter-
nahm, hatte dieses Spanien, Portugal, die beiden Indien, und den
größten Theil von Italien, sammt dem Kaiserthum und dessen wieder
in Erinnerung gebrachten unermeßlichen Gerechtsamen in Besitz. Als
Ludwig XIV die spanische Erbschaft anzutreten sich entschloß, hatte
er in Deutschland hauptsächlich nur das Haus Baiern für sich. JFetzt
aber kam dem Cardinal von Süden her eine freiwillige und sogar
eifrige Bewegung zu Statten; der Kurfürst von Baiern, mit bisher
feindseligen Stammesvettern jetzt verbündet, gewann durch seinen Erb-
1) Schreiben Belleisle s, Leipzig 10., Nymphenbourg 24. Mai.