Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

464 Achtes Buch. Siebentes Capitel. 
einen ehrgeizigen und geistreichen Mann, wie Karl Albert ohne Frage 
sei, bedürfe es vielleicht nur Eines Jahres, um sich von Frankreich 
wieder loszuwinden. 
Eben darum wünschte und forderte Friedrich, daß die Sache so 
rasch als möglich zu Ende gebracht würde, wozu ein unverzüglicher 
Angriff auf Wien, dessen Wirkung er von der andern Seite her unter- 
stützen könne, als das unfehlbare Mittel erschien. Dann wäre Friede 
gemacht, das französische Heer wieder entfernt worden; man hätte sich 
in Deutschland unter sich einrichten können. 
Es war doch sehr auffallend, daß die lebendigen kecken Fran- 
zosen sich dazu nicht bringen ließen, die Gelegenheit nicht ergriffen, 
Oesterreich durch einen entscheidenden Schlag vollkommen zu Boden 
zu werfen. 
Fragen wir nach dem Grunde, so hat ihn Friedrich gleich da- 
mals herausgefühlt, Karl Albert ein wenig später ebenfalls erkannt. 
Valori erzählt Folgendes: 
General Schmettau habe auch bei dem Marquis von Beauvau, 
der während des Kriegszuges den Kurfürsten von Baiern als fran- 
zösischer Bevollmächtigter begleitete, alles angewandt, um ihn zu dem 
Unternehmen gegen Wien zu überreden. Endlich habe dieser die Aus- 
führbarkeit desselben, die Wahrscheinlichkeit des Gelingens, die es für 
sich habe, nicht mehr leugnen können; da sei ihm das Wort entfallen: 
aber dann wird dieser Mann — der Kurfürst von Baiern — uns 
nicht mehr brauchen, und das wäre gegen unsern Vortheil . 
Die Franzosen hatten die Erbansprüche des Hauses Wittelsbach an- 
erkannt, aber in ihrem ganzen Umfange geltend machen wollten sie die- 
selben nicht; so entschieden glaubten sie weder an die Gültigkeit derselben. 
noch an das Erbrecht selber; sie wollten den Kurfürsten zum Kaiser 
machen, aber einen mächtigen, auf eigener Kraft beruhenden deutschen 
Kaiser wollten sie nicht erschaffen: er hätte ihr Gegner werden können. 
Der alte Cardinal dachte die Bewegung des Krieges zu leiten, 
wie die Unterhandlungen des Friedens; die Dinge zu dem vorbestimm- 
ten Ziele zu führen, und zu keinem andern; der Kurfürst von Baiern 
sollte vergrößert werden, aber ein neues Oesterreich sollte er nicht 
gründen: Wittelsbach sollte politisch nicht an die Stelle von Habs- 
burg treten. 
1) II Schappa au Marquis de Beauvau de dire: mais quand nous 
aurons pris Vienne, cet homme, parlant de ’Electeur de Bavière, n’aura 
Pplus besoin de nous, et ce MW'est pas la notre compte. (Valori Dep. vom 
8. Jannar 1745.)
	        
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