Unterhandlungen bis zur Verabredung von Kleinschnellendorf. 465
In dem preußischen Lager bildete sich die Meinung aus, als sei es
den Franzosen lieber, drei oder vier mittelmäßige Mächte zu errichten,
von denen die eine der andern entgegengesetzt werden könne, als eine
oder zwei, die auf eigener Kraft beruhend, dann auch einmal fähig
sein würden, ihnen selbst die Spitze zu bieten. Nach Friedrichs Be-
hauptung, die durch alle Einleitungen, die sie trafen, gerechtfertigt
wird, sollten deren vier sein: Ungarn mit den innerösterreichischen
Landschaften, Baiern mit Böhmen, Oberösterreich und den Vorlanden,
Sachsen mit Mähren und Oberschlesien, Preußen mit Niederschlesien.
Schon der Gedanke, gleichmäßige Nachbarn neben sich zu sehen,
die mit ihnen nothwendig werdende Unterhandlung über eine vor-
läufige Abgrenzung der neuen Gebiete, berührte den König von
Preußen unangenehm. Es ist wahr, von der Königin von Ungarn
hatte er nur Niederschlesien und Breslau gefordert, und nur dies sich
garantiren lassen, aber wenn man dann einmal neue Staaten schuf
oder neue politische Zusammenstellungen versuchte, so war er den erst
in Besitz zu Setzenden gegenüber nicht damit zufrieden. Er nahm
dann Glatz und einen weiteren Umkreis um Neiße her, als den man
ihm zugetheilt hatte, in Anspruch. Es schien ihm billig, daß die-
jenigen, denen er helfen sollte Königreiche erobern, etwas mehr ge-
währten, als die Königin, die einen alten Besitz aufgegeben hatte.
Seine Forderungen kamen den übrigen sehr unerwartet; durch ihre
verweigernden Antworten ward er hinwieder verstimmt. Daß Ober-
schlesien an Sachsen gelangen sollte, war ihm an sich unerwünscht:
er zeigte sich ungeduldig, daß es über den kleinen Bezirk von Neiße
nicht nachgeben wollte.
Eine wirkliche Gefahr aber lag darin, daß diese Staaten nun
unter den Einfluß von Frankreich gerathen mußten, welches ihre
Macht begründete. Diesem wäre ein unermeßliches Ansehen in Deutsch-
land zu Theil geworden. König Friedrich, dem immer die Geschichte
der alten Welt vorschwebte, glaubte vorauszusehen, daß die Franzosen
über die benachbarten Könige, deren Eifersucht unvermeidlich war, eine
Art von oberherrlichem Schiedsrichteramt ausüben würden, wie die
Nömer einst zwischen den Königen von Bithynien und Pergamus 1).
Er seinerseits hatte Beweise, daß er sich von ihnen keine Vor-
liebe noch Begünstigung versprechen durfte.
1) Auch Karl Albert sagte später: Les Français ont voulu ménager
la chèr#re ct le chou: ne voulant, que je m’empare de Vienne, ils ondt
eu leur raisons, pour détruire les uns par les autres et faire le partage
de lion.
v. Ranke's Werke XXVII. XXVIII. 30