Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

466 Athtes Buch. Siebentes Capitel. 
Auch in Depeschen, die er nicht kannte, erscheinen Warnungen 
des französischen Ministeriums, diesem ohnehin zu starken Fürsten nicht 
noch Vorschub zu neuen Vergrößerungen zu leisten. 
Und schon streckte Frankreich auch nach einer andern Seite von 
Deutschland seine Hand aus. Es wollte die Armee, die sich am 
Niederrhein aufgestellt, die Winterquartiere in Hannover nehmen 
lassen, und lud den König ein, von der Elbe her mit der seinen 
das nämliche zu thun. Friedrich sah in dem Vorschlag nur die Ab- 
sicht, ihn in Feindseligkeiten mit dem König von England zu ver- 
wickeln, der doch die Neutralität für Hannover anbot, und über- 
haupt den Krieg nach Norddeutschland zu spielen. Was gehe, sagt 
Podewils, der Krieg zwischen England und Frankreich das hannove- 
rische Land an. Die englische Nation habe ihren König zum Kriege 
gleichsam gezwungen, gegen diese möge ihn Frankreich ausfechten. 
Auf keinen Fall dürfe sich Preußen einen mächtigen neuen Feind 
machen, so lange es das Haus Oesterreich noch gegen sich habe. 
Würden die Franzosen Hannover und dann auch, was unvermeiddlich, 
Westfalen überfluten, so sei man vollkommen in ihrer Gewalt. 
Man erkennt hierin die in dem brandenburgischen Hause gleichsam 
erblich überlieferten Maximen. So hatte der Große Kurfürst, wiewohl 
von Oesterreich tief beleidigt, doch auch allezeit Sorge dafür getragen, 
daß nicht etwa Frankreich zum Meister im Reich werde. Es war die Po- 
litik, die zu dem ersten Verständniß Brandenburgs mit Hannover und zu 
dem zwanzigjährigen Waffenstillstand führte. So hatte Friedrich Wil- 
helm 1 den Bund mit England und Frankreich abgelehnt, weil diese 
es darauf abgesehen zu haben schienen, Oesterreich zu stürzen und frem- 
den Mächten die Herrschaft in Deutschland zu verschaffen. Das Haus 
Oesterreich zu stürzen, konnte niemals die Politik von Brandenburg 
sein. Auch das Ziel Friedrichs war es nicht. Seine Absicht ging ledig- 
lich dahin, das Recht seines Hauses, das er für unbestreitbar hielt, 
gegen Oesterreich zur Geltung zu bringen. Wohl hätte der Wiener 
Hof durch Erwägungen der allgemeinen Lage von vorn herein bewogen 
werden sollen, den brandenburgischen Forderungen gerecht zu werden, 
denn es wäre für ihn selbst das Rathsamste gewesen; aber so weit 
haben politische Erwägungen wohl nie gewirkt. Da es auch damals 
nicht geschah“ so mußte die Sache durch Gewalt der Waffen durch- 
gesetzt werden. Wohl konnten dann die aus dem Krieg entsprungenen 
Verwickelungen den König dahin führen, Baiern groß und selbständig 
zu machen, niemals aber dahin, der Krone Frankreich eine vorwaltende 
Autorität in Deutschland zu verschaffen. Es waren die Grundmaximen
	        
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