Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

468 Achtes Buch. Siebentes Capitel. 
in Frankfurt gewendet, der König von Portugal seine Vermittelung 
in Versailles angeboten, ein Cardinal der römischen Kirche das Mit- 
leid Fleurys mit der bedrängten Königin zu erwecken gesucht; alles 
ohne Erfolg. Man hatte nur die Wahl zwischen einer Fortsetzung 
des Kampfes mit beiden Feinden, wo man dann gewiß unterliege, 
oder einer vorläufigen Abkunft mit dem gefährlichsten unter ihnen ½). 
Man zog in Betracht, daß alles darauf ankomme, dem Marschall 
Neipperg freie Hand zu verschaffen, dann könne man wieder auf- 
athmen; wenn man wenigstens nicht vor dem Winter zu Grunde ge- 
richtet werde, dann könne man sich nach der Hand wieder erheben 
Aus dieser Rücksicht war es, daß die Königin endlich in der Mitte 
Septembers sich bereit erklärte, Niederschlesien und Breslau an den 
König von Preußen aufzugeben, ohne etwas anderes von ihm zu 
fordern als Friede und Freundschaft. 
König Friedrich, der von dem Gange dieser Berathungen am 
Hofe keine Ahnung, geschweige eine glaubwürdige Nachricht empfing, 
der seit den ersten Erfahrungen Gotters und Borkes in jeder An- 
näherung nur immer den Versuch sah, ihn zu täuschen, konnte sich 
auch jetzt nicht entschließen, an den ernsten Willen der Königin zu 
glauben. Er hätte für einen unverzeihlichen Fehler gehalten, seine 
kriegerischen Bewegungen darum einen Augenblick zu unterbrechen. 
Am 26. September vollzog er den so lange beabsichtigten Uebergang 
über die Neiße, nicht ohne die größte Vorsicht; die Armec brach bei 
Nacht auf und die Wachtposten mußten auch nachher noch eine Weile 
besetzt bleiben; auf drei Schiffbrücken in der Gegend von Sonnenburg 
ging er über und bewegte sich dann die Neiße aufwärts, über Haiden 
und Brüche, gegen Oppersdorf, nicht ohne die Meinung, das feind- 
liche Lager im Rücken zu bedrohen, während er zugleich Oppeln be- 
setzen und daselbst Magazine anlegen ließ. Noch einmal kam ihm 
Neipperg bei Oppersdorf zuvor, worauf sich die Preußen nach Fried- 
land, die Oesterreicher nach Steinau wandten2). Zwischen den Hu- 
saren gab es unaufhörlichen Lärmen. 
1) Obgleich es ihnen schwer wurde; Satisfzing the king of Prussia 
first lor nothing in return, and all the rest afterwarts according to their 
respective pretentions. — Doch, wenn Wien sich hält und Ungarn rülüstet, 
Neipperg's having his hand frec this court may breath u little and if 
not ruined before the winter, find onc ressource or other during tbe 
following 5 or 6 montbs. 
2) Es ist wohl nur ein Versehen beim Schreiben, wenn es in der llie- 
toire de mon temps heißt II. 90: le roi se tourna Par Friedland et se 
campa à Steinau. In der ursprünglichen Abfassung heißt es: Neipperg sur-
	        
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