Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

42 Fünftes Buch. Zweites Capitel. 
Alles beruht darauf, daß der Kaiser, wiewohl nicht ohne einen 
merkwürdigen Vorbehalt, sich geneigt erklärte, seine älteste Tochter 
Maria Theresia, deren Anrecht an die große österreichische Erbschaft 
eben festgesetzt worden, mit dem spanischen Infanten Don Carlos, 
ältesten Sohn der Königin von Spanien zu vermählen. Ripperda 
hat behauptet, die Absicht des kaiserlichen Hofes sei anfangs mehr 
auf den Prinzen von Asturien, Don Ferdinand gegangen; er, der 
Gesandte, habe die Wahl auf Don Carlos gelenkt. Auch erkannte 
man wirklich in dem Vertrag die Nothwendigkeit an, die drei Mächte, 
Frankreich, Spanien und Oesterreich getrennt zu erhalten; man machte 
ausdrückliche Stipulationen, um Vermählungen aus der kaiserlichen 
und der spanischen Familie mit der französischen zu verhindern. Da- 
gegen würde Don Carlos, dem man die Nachfolge in Toscana, Parma 
und Piacenza zusicherte, durch seine Vermählung mit der Erbtochter 
von Oesterreich diese Länder der österreichischen Monarchie, die damals 
auch Neapel und Sicilien umfaßte, hinzugefügt haben. Was man 
in Spanien wünschte, daß Don Carlos alsdann zum römischen König 
gewählt würde, ist in dem Tractat nicht ausdrücklich enthalten, aber 
am Tage liegt, daß es dahin kommen sollte. Philipp V versprach, 
bei der Wahl eines römischen Königs seine Dienste und seine Macht 
anzuwenden, um die kaiserliche Krone bei dem österreichischen Stamme 
und Hause — das dann sein elgenes gewesen sein würde — zu be- 
haupten. Sollte hierüber, wie zu erwarten, ein Krieg mit Frankreich 
und England ausbrechen, so setzte man sich vor, dem ersteren alle 
Eroberungen, die es über das alte Haus Oesterreich-Spanien gemacht, 
sogar Burgund, wieder zu entreißen, auch Lothringen in den Stand 
herzustellen, in welchem es 1633 gewesen war; dem letzteren aber 
Gibraltar und Minorca mit Gewalt der Waffen zu entreißen. Es 
war ein Vertrag nach dem Muster derer, die früher zwischen den beiden 
habsburgischen Linien getroffen worden; gegen Franzosen und Türken, 
und wenn etwa der Religion wegen innerhalb oder außerhalb des 
Reiches es zum Kriege kommen sollte, auch gegen die Protestanten 
wollten sie gemeinschaftliche Sache machen 7). 
Se lautet der Vertrag; es schien darauf abgesehen, das alte 
spanisch-österreichische Uebergewicht wiederherzustellen. Bei alledem 
möchte man beinahe zweifeln, ob es dem Wiener Hofe rechter Ernst 
damit gewesen ist, ob er nicht blos dem stürmischen Verlangen der 
1) Wie es in der Instruction heißt: Alianza defensiva et offensiva 
contra el Turco yF los principes protestantes.
	        
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