Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

476 Neuntes Buch. Einleitung. 
sprang, veranlaßte England, seinen Einfluß mit vollem Eifer zu ver- 
wenden; erst die von allen Seiten herandringende Gefahr, denn früher 
hatte man sich die Augen dagegen verschlossen, konnte die Königin 
vermögen, die Zugeständnisse zu machen, die man von ihr forderte, 
und, so peinlich es ihr auch noch immer war, das in Schlesien ge- 
schehene Ereigniß wenigstens vorläufig anzuerkennen. 
Und nun könnte es scheinen, als ob das Interesse von Preußen 
gewesen wäre, den zweiten der angegebenen Wege einzuhalten, sich 
an Frankreich, dessen Schilderhebung ihm so wesentlich zu Statten 
gekommen war, ferner anzuschließen; auch dann hätte es wenigstens 
einen festen Rückhalt hinter sich gehabt. 
Aber die Wahrheit einer politischen Stellung tritt erst in der 
Entwickelung der Begebenheiten an den Tag. Wenn der eine jener 
beiden Wege nicht zum Ziele brachte, so hätte der andere, ohne wei- 
teres verfolgt, in das offene Verderben geführt; wie man im Haag 
sagte, der König von Preußen dürfe sich vermöge seines Bundes die 
Gnade des Polyphem versprechen, der letzte zu sein, der verschlungen 
werde. 
Nur darum hatte sich Friedrich so lange gesträubt, in den Bund 
mit Frankreich zu treten, weil er wohl wußte, daß die Ueberlegenheit 
dieser Macht ihm selber die größte Gefahr bereite. Denn auf Worte 
und Versprechungen, wie gut sie auch lauten, viel zu geben, ist in 
den Stürmen der Weltbewegung unmöglich; die großen Gewalten 
treiben sich durch ihren eigenen Impuls so weit fort, bis sie Wider- 
stand finden. Es ist in einem andern Zustand der Welt eine Zeit 
gekommen, wo man dies vergaß, und furchtbar dafür gebüßt hat. 
Friedrich war am wenigsten der Mann, guten Zusicherungen Ver- 
trauen zu schenken. Wenn er sich mit Frankreich verbündete, so ge- 
schah es nur, weil es nun einmal nicht anders sein konnte; so bald 
aber diese Macht zu dem Versuche schritt, sich eine Ueberlegenheit auf 
immer in Deutschland zu verschaffen, war er der erste, der sich dem 
widersetzte. Er hielt sich für vollkommen berechtigt dazu. Er war in 
ein Defensivbündniß mit Frankreich getreten und hatte den Kurfürsten 
von Baiern zum Kaiser zu erheben versprochen, niemals aber sich ver- 
pflichtet, die für die allgemeine Freiheit gefährlichen Anschläge des 
Hofes von Versailles zu vollziehen. 
Darin eben, daß er sich von den Alliirten des alten Bundes 
losgesagt hatte, und nun auch nicht mit Frankreich gehen konnte, lag 
die Verwickelung seines Lebens. 
Von jenen beiden Wegen, die einst zur Behauptung von Nieder-
	        
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