476 Neuntes Buch. Einleitung.
sprang, veranlaßte England, seinen Einfluß mit vollem Eifer zu ver-
wenden; erst die von allen Seiten herandringende Gefahr, denn früher
hatte man sich die Augen dagegen verschlossen, konnte die Königin
vermögen, die Zugeständnisse zu machen, die man von ihr forderte,
und, so peinlich es ihr auch noch immer war, das in Schlesien ge-
schehene Ereigniß wenigstens vorläufig anzuerkennen.
Und nun könnte es scheinen, als ob das Interesse von Preußen
gewesen wäre, den zweiten der angegebenen Wege einzuhalten, sich
an Frankreich, dessen Schilderhebung ihm so wesentlich zu Statten
gekommen war, ferner anzuschließen; auch dann hätte es wenigstens
einen festen Rückhalt hinter sich gehabt.
Aber die Wahrheit einer politischen Stellung tritt erst in der
Entwickelung der Begebenheiten an den Tag. Wenn der eine jener
beiden Wege nicht zum Ziele brachte, so hätte der andere, ohne wei-
teres verfolgt, in das offene Verderben geführt; wie man im Haag
sagte, der König von Preußen dürfe sich vermöge seines Bundes die
Gnade des Polyphem versprechen, der letzte zu sein, der verschlungen
werde.
Nur darum hatte sich Friedrich so lange gesträubt, in den Bund
mit Frankreich zu treten, weil er wohl wußte, daß die Ueberlegenheit
dieser Macht ihm selber die größte Gefahr bereite. Denn auf Worte
und Versprechungen, wie gut sie auch lauten, viel zu geben, ist in
den Stürmen der Weltbewegung unmöglich; die großen Gewalten
treiben sich durch ihren eigenen Impuls so weit fort, bis sie Wider-
stand finden. Es ist in einem andern Zustand der Welt eine Zeit
gekommen, wo man dies vergaß, und furchtbar dafür gebüßt hat.
Friedrich war am wenigsten der Mann, guten Zusicherungen Ver-
trauen zu schenken. Wenn er sich mit Frankreich verbündete, so ge-
schah es nur, weil es nun einmal nicht anders sein konnte; so bald
aber diese Macht zu dem Versuche schritt, sich eine Ueberlegenheit auf
immer in Deutschland zu verschaffen, war er der erste, der sich dem
widersetzte. Er hielt sich für vollkommen berechtigt dazu. Er war in
ein Defensivbündniß mit Frankreich getreten und hatte den Kurfürsten
von Baiern zum Kaiser zu erheben versprochen, niemals aber sich ver-
pflichtet, die für die allgemeine Freiheit gefährlichen Anschläge des
Hofes von Versailles zu vollziehen.
Darin eben, daß er sich von den Alliirten des alten Bundes
losgesagt hatte, und nun auch nicht mit Frankreich gehen konnte, lag
die Verwickelung seines Lebens.
Von jenen beiden Wegen, die einst zur Behauptung von Nieder-