Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Allgemeines politisches Berhältniß. 477 
schlesien vorgeschlagen waren, konnte er weder den einen noch den 
andern einschlagen, er mußte einen dritten sich selber bahnen. 
Fragen wir aber, welches nun seine Politik sein konnte, so ist 
die Summe: er mußte sich eine Selbständigkeit erwerben, die von 
keiner der beiden Mächte mehr anzutasten war. 
Ein Schritt ruft den andern hervor; bei dem Erbrecht, das er 
mit Gewalt der Waffen bei einer günstigen Verflechtung der An- 
gelegenheiten geltend gemacht hatte, konnte er nicht stehen bleiben. 
Wenn seine Absicht Anfangs nur auf Niederschlesien gegangen war, 
so leuchtet ein, daß dies Land allein, wer auch immer Meister der 
Gebirge bleiben mochte, die es beherrschen, sich nicht behaupten ließ. 
Es war ein Gedanke, voll von dynastischem und politischem Ehrgeiz, 
die neue Erwerbung so zu verstärken, daß sie von Niemand zweifel- 
haft gemacht werden könne: aber es lag auch eine Nothwendigkeit 
darin. Entweder mußte Friedrich sich gefaßt machen, in die alte 
Beschränkung zurückgetrieben zu werden, oder eine Selbständigkeit er- 
kämpfen, durch die er Allem gewachsen war und zwischen den beiden 
großen continentalen Mächten das Gleichgewicht zu halten vermochte. 
Aufgaben, die mit einem Worte ausgesprochen werden, von 
denen aber ins Auge springt, wie unendlich schwer es war, sie zu 
erfüllen. 
Friedrich war den beiden im großen Kampfe begriffenen Mäch- 
ten zugleich verbündet und entgegengesetzt. Seine Verbindung konnte 
in jedem Augenblick in Gegensatz, seine Feindschaft aber bei jeder 
wesentlichen Veränderung in Freundschaft übergehen. 
Auch darin hat die spätere Zeit einen großen Fortschritt gemacht, 
daß sie die alte Zweizüngigkeit der Politiker aus den Geschäften zu 
verbannen bemüht ist. Damals war diese Art des politischen Ver- 
kehrs noch an der Tagesordnung und gewissermaßen öffentlich gebilligt. 
Oder man nahm sich wenigstens nicht übel, indem man sich einen be- 
stimmten Zweck vorsetzte, nach den verschiedenen Seiten hin eine ver- 
schiedene, eben auf Erreichung dieser Absicht berechnete Sprache zu 
führen. 
In dieser Welt eines fortwährenden Kampfes der Negotiation, 
die von den Waffen unterstützt und zuweilen durchbrochen wird, welche 
Energie zugleich und Feinheit, Tapferkeit im Krieg und Gewandtheit 
im Cabinet wird dazu gehören, sich zu behaupten und vorwärts zu 
schreiten! 
Der alte Comines, der einige der ausgezeichnetsten Fürsten seiner 
Zeit, Karl den Kühnen, Ludwig XI, sehr in der Nähe sah, sucht den
	        
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