Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

478 Neuntes Buch. Einleitung. 
Neid, den eine Stellung wie die ihre zu erwecken pflegt, durch die 
Betrachtung der Unruhe und Gemüthsbewegung, die alle ihre Tage 
erfülle, zu beseitigen. Noch eine andere bedenklichere Seite, im Zu- 
sammenhang damit, bietet das Leben unternehmender Fürsten dar; 
ihre politische Pflicht und ihre Moral gerathen nicht selten in Con- 
flict. Denn die öffentlichen Dinge, die nach ihrer eigenen Lage be- 
handelt werden müssen, in unaufhörlichem Schwanken begriffen, sind 
zugleich ihre persönlichen und berühren den moralischen Menschen. 
Nicht immer wird die Beistimmung der Zeitgenossen oder Später- 
lebenden gewonnen, das Urtheil der Welt überzeugt werden können; 
wenigstens vor sich selber muß der Held gerechtfertigt sein. 
Begleiten wir Friedrich auf der von unzähligen Klippen um- 
gebenen Laufbahn, auf welche er sich nun getrieben sieht. Sie ist 
nicht seine Wahl, sie ist sein Geschick. 
Wenn er aber seine Sache durchführte, so lag darin ein großes 
Ereigniß nicht allein für ihn und seinen Staat, sondern für Europa. 
War nur etwas davon gegründet, was von den alle Unabhängig- 
keit Anderer gefährdenden Absichten Frankreichs oder von den Besorg- 
nissen für die Freiheit des Continents und der See gesagt wurde, die 
aus der Verbindung von England und Oesterreich hervorgegangen, 
so konnte es nur zum allgemeinen Vortheile gereichen, wenn sich 
zwischen ihnen eine neue Macht erhob, deren eigenes, gleichsam ein- 
geborenes Interesse sie darauf hinwies, weder mit der einen noch mit 
der andern sich zu vereinigen. Ein selbständiges Preußen mußte dazu 
beitragen, eine allgemeine Parteiung zu verhüten und zuletzt dem 
freien Bestehen eines jeden zu Statten kommen. 
Wir sahen so eben, wie diese Politik, sogleich als sie zuerst ins 
Bewußtsein trat, dem vornehmsten Feinde, mit dem man in einem 
Kampf auf Tod und Leben begriffen schien, zur Rettung diente. 
Hätte sich Oesterreich den Bedingungen der Franzosen unterwerfen 
müssen, so würde es vielleicht bestanden haben, aber nicht als wahr- 
haft unabhängige, auf eigener Schwerkraft beruhende Macht. Daß 
Preußen in einem entscheidenden Augenblicke seine Waffen zurückzog, 
gab ihm Zeit, wieder Kräfte zu sammeln. Der englische Gesandte 
vergleicht Friedrich in Beziehung zu Oesterreich mit Achilles, dessen 
Speer verwunde, aber auch heile.
	        
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