488 Neuntes Buch. Erstes Capitel.
noch ohne sich Prags bemeistert zu haben, hier im offenen Felde einen
Nachtheil erlitten hätte? Man behauptet, der Großherzog habe den
Befehl der Königin gehabt, die Hauptstadt von Böhmen um jeden
Preis zu entsetzen.
In einem Kriegsrath der Verbündeten ward diese Gefahr er-
wogen, doch machte sich die alte Unentschlossenheit aufs neue Platz.
Zum Glück für sie war der Marschall Belleisle, wenn gleich noch
nicht im Lager, aber doch in der Nähe, in Dresden angekommen:
kriegerische Einsicht und die Autorität seiner Stellung vereinigten sich
in ihm; seine Aufforderungen gaben dem Plan, unverzüglich einen
Versuch auf Prag zu machen, das Uebergewicht 1). „Das Uebel“,
sagte er, „war dringend, eine Operation nothwendig; im Kriege ge-
lingen gerade die schwierigsten Dinge am leichtesten, wenn sie mit
Muth und Eifer angegriffen werden.“
In der Nacht vom 25. zum 26. Nov. schritt man dazu, eine
Ueberraschung von Prag zu versuchen, wie eine solche vor kurzem in
Glogau so glücklich gelungen war.
Einige Stunden lang wußten die Verbündeten auf der Kleinseite
die Aufmerksamkeit der Vertheidiger zugleich zu beschäftigen und ab-
zuspannen. Erst gegen Morgen, als der Gouverneur Ogilpy sich ent-
fernt, auch die Bürger und Studenten, welche schon in den letzten
Nächten gewacht, nach Hause gegangen waren, geschah der Angriff.
Es waren zwei Söhne des Königs August von Polen, der Graf von
Sachsen, Moritz, und der Graf Rutowsky, welche denselben mit wett-
eifernder Tapferkeit ausführten, jener an der Spitze der Franzosen,
dieser an der Spitze der Sachsen von der andern Seite. Die Sache
gelang so wie bei Glogau, doch ward die Umwallung von Prag mit
Sturmleitern erstiegen und den Eindringenden ein etwas stärkerer
Widerstand entgegengesetzt. Der Gouverneur gab sich gefangen.
Ein großer und glücklicher Schlag, durch welchen die Armee der
Verbündeten fürs erste aus ihren Verlegenheiten gerettet wurde, sie
fand. Obdach und Nahrung. Im Besitz der Hauptstadt konnte man
sich Herr des Königreiches dünken.
Wäre es bloß auf die Stimmung der Böhmen angekommen, so
hätte Carl Albert einige Aussicht für sich gehabt. Bei seinem ersten
1) Belleisle an Breicnil, Dresde de 22 Nov.: 11 fant faire T’impossible
pour prendre Prague et je crois la chose faisable, mais les jours et
les heures sont précicuses. In einem Schreiben an König Friedrich vom
9. Dec. sagt er: C'est ce. qui m’a determiné à faire tenter l’escalade.
So ganz schreibt er sich selbst das Unternehmen zu.