Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

496 Neuntes Buch. Zweites Capitel. 
machen, seine Verpflichtungen zu brechen. Es ist möglich, daß ich zu 
mißtrauisch bin, aber kann man das wohl in dieser Welt zu viel sein? 
Oder darf man irgend eine Vorsicht vernachlässigen, wo es sich um 
die größten Interessen von Europa handelt? 
Podewils war nicht der Mann, um diese Besorgnisse zu zerstreuen. 
Er meinte, man müsse im Voraus daran denken, der Macht von 
Frankreich für den Fall, daß sie allgewaltig werden sollte, einen 
Damm entgegenzusetzen. Man müsse zunächst suchen, Sachsen und 
Dänemark nicht in die Hand desselben gerathen zu lassen, Holland 
zur Aufrechterhaltung des europäischen Gleichgewichts aufrufen, auf 
keine Weise mit England brechen; bald werde wohl auch der Kurfürst 
von Baiern der harten Abhängigkeit müde werden, in welcher ihn 
Frankreich halte ½. 
Man sieht auf beiden Seiten zweifelhaftes Vertrauen, sich auf- 
thürmende Gefahren; indem man in ihrer Mitte die selbständige Stel- 
lung einzunehmen sucht, auf die alles ankommt, erheben sich, denn 
mit geheimen Unterhandlungen kommt man nicht zum Ziele, neue, 
kühnere Ideen für Politik und Kriegführung. 
die dann, wenn es möglich war, Oesterreich nicht allein in 
seinem neuen Siegeslauf aufzuhalten, sondern auch demselben zur 
Seite eine feste politische Combination zu gründen und es auf immer 
ungefährlich zu machen. 
Dem König von Preußen erhob sich der Gedanke, sich der An- 
sprüche von Baiern und Sachsen selber thätig anzunehmen, dem einen 
Mähren, dem andern Böhmen zu verschaffen und sie dem Hause 
Oesterreich auf immer zur Seite zu stellen. 
In Kleinschnellendorf war das wenigstens in Bezug auf Mähren 
nicht seine Meinung gewesen; es scheint ein Widerspruch darin zu 
liegen, daß er damals ein unabhängiges, mächtiges Oesterreich für 
nothwendig hielt, und es nun doch zu so großen Verlusten zwingen 
wollte. 
Der Unterschied war nicht nur, daß er der Königin außer den 
übrigen Provinzen auch Oberösterreich, Tirol und Breisgau lassen 
wollte, sondern hauptsächlich, daß Frankreich nunmehr die Uebermacht 
nicht erlangen konnte, die demselben zu Theil geworden wäre, wenn 
1) 23. Dec. S'il arrivoit, qgue la France voulut abuser un jour de 
sa superiorite dans le sud et le nord, il faudra toujours songer de loin 
à un digne equipollente pour contre balancer un pouvoir si enorme. Er 
nennt das vorgeschlagene mitteleuropäische Bündniß eine Contrebatterie.
	        
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