Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

520 Neuntes Buch. Drittes Capitel. 
von Oberschlesien kommen mußte, und wenn er bis dahin nicht an- 
gegriffen sei, alsdann selbst dem Feinde auf den Leib zu gehen. 
In Wien hatte man den Gedanken gefaßt, mit dem Heere aus 
Mähren unverzüglich nach Böhmen vorzudringen und den Weg nach 
Prag einzuschlagen; lasse der König dies geschehen, so werde er da- 
durch von den Franzosen und Sachsen getrennt und genöthigt, aus 
Böhmen zu weichen; wolle er es verhindern, so müsse man sich ihm 
entgegensetzen und in Gottes Namen eine Schlacht liefern 1). 
Was den Hof noch besonders zu diesem Plan beiog, war die 
Nachricht, daß sich Carl Albert in Gesellschaft eines anlangenden 
französischen Hülfscorps nach Prag zu begeben und da feierlich krönen 
zu lassen beabsichtige. Am 8. Mai erschien das Heer, 13 Regimenter 
zu Fuß, 12 Regimenter zu Pferde stark, bei Saar, an jenem 13. 
schlug es sein Lager bei Chotieborz auf der großen Straße, die über 
Czaslau nach Prag führt, auf; die allgemeine Meinung in demselben 
war, der König von Preußen werde sich nicht rühren, in wenig Ta- 
gen würden sie mit klingendem Spiel in Prag einziehen. 
Da der König aber durch ihr bloßes Vorrücken nicht allein von 
Franzosen und Sachsen abgeschnitten, sondern auch in seiner eigenen 
Stellung gefährdet worden wäre — schon erschienen ihre leichten 
Truppen im Elbthal und bedrohten seine Magazine —, so konnte er 
dies unter keiner Bedingung zulassen. Die Absicht des Feindes mit 
treffendem Blick erkennend, ohne Verzug, beschloß er, sich ihnen auf 
ihrem Wege bei Kuttenberg entgegenzuwerfen. Noch am 15., so wie 
er hinreichende Kunde von ihren Bewegungen gewonnen, begab er sich 
mit einer starken Abtheilung, bei 6000 M., selber in diese Gegend. 
Den andern Tag sollte die nicht so leicht bewegliche Masse der Armee 
unter Prinz Leopold ihm folgen. 
So geschah, daß am 16. Mai die beiden feindlichen Heere nahe 
aneinander nach Kuttenberg hin vorrückten. 
In diesen Gegenden ziehen sich, an das große böhmisch-mährische 
Gebirge anschließend, zwischen Daubrawa und Chrudinka, die Gang- 
berge, Kankowy hory, von Saar her nach dem Elbthal, kuppelförmige, 
durch seichte Thäler geschiedene Anhöhen, die ihren Mittelpunkt in der 
1) Daß dies der Plan war, ist aus dem in der österr. milit. Zeitschrift 
S. 150 angeführten Briefwechsel des Großherzogs geschlossen worden; es er- 
giebt sich aus den Worten Robinsons, daß der Plan sei to march into Bo- 
hemia by Saar and to advance directly to Prague, where there arc no 
more than 2m men; is the king of Prussia appears to the right, they 
will give him baitle. Damit stimmen die Schreiben Molls überein.
	        
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