Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

542 Neuntes Buch. Viertes Capitel. 
Eine der dem Rönig widerwärtigsten Forderungen, welche bei 
dem Abschluß des Friedens zur Sprache kamen, war die Uebernahme 
jener nicht unbedeutenden Schuldenlast, welche auf Schlesien hypothe- 
cirt war. Friedrich hat gemeint, daß es in seinem Willen stehe, die- 
selbe zu übernehmen oder nicht; namentlich den Holländern, welche 
der Königin Subsidien gezahlt hatten, glaubte er zu nichts verpflichtet 
zu sein. Bei den Präliminarien war in der That nur der englischen 
Schuld gedacht worden. 
Die Königin erklärte dies jedoch für einen Fehler, der vor dem 
Frieden wieder gut gemacht werden müsse, denn wie ungerecht sei es, 
wenn man ein großes Land abtrete, auch noch die Schulden zahlen 
zu sollen, welche darauf haften! Die preußischen Bevollmächtigten 
erwiederten, es sei ebenfalls ungerecht, ein Land, das man erobert 
habe und das schon abgetreten sei, gleichsam mit Geld kaufen zu 
sollen. Endlich kam man überein, daß der König zwar die Schuld 
übernehmen, aber dagegen seine alten Forderungen wegen der Zölle 
der Maas in Anrechnung bringen solle. 
Auch über die Begrenzung des Gebietes gab es sehr bedeutende 
Differenzen. 
Bei der Abtretung von Oberschlesien hatte sich Oesterreich nicht 
allein Teschen und Troppau, so wie die enͤclavirten mährischen Di- 
stricte, sondern auch noch andere Gebirgstheile vorbehalten, die es 
unter dem allgemeinen Ausdruck „was jenseit des hohen Gebirges 
und der Oppa liegt“, begriff. Diesem Ausdruck gaben die öster- 
reichischen Bevollmächtigten eine umfassendere Bedeutung, als man 
preußischer Seits vermuthet hatte; schon in Bezug auf das Gebirgs- 
land überhaupt, dann noch besonders in Bezug auf Jägerndorf, 
welches sie in Anspruch nahmen, weil es jenseit der Oppa liege. 
Die Frage ist geographischer Art. Die preußischen Bevollmäch- 
tigten hielten nur das größere Gewässer in jenem Landstrich, das aus 
der schwarzen und weißen, mittleren und kleinen Oppa bei Würben- 
thal zusammenströmt, für die Oppa, so daß Jägerndorf, von Schlesien 
her diesseit derselben gelegen, ihrem König zufiel; den kleinen Fluß, 
der bei Hermannstadt entspringt, sich von dort durch ein langes mit 
Dörfern angefülltes Thal nach Jägerndorf hinwindet und unterhalb 
dieser Stadt in die Oppa fällt, bezeichneten sie mit den landüblichen 
Namen: Troppelwitzer oder Comeiser Wasser. Die Oesterreicher da- 
gegen behaupteten, daß dieses Flüßchen ebenfalls den Namen Oppa 
trage und die eigentliche Grenze bilde, so daß Jägerndorf auf ihren 
Theil falle.
	        
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