Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Vertrag zu Wusterhausen. 55 
Schon ein Anfall auf die niederländischen Provinzen, um die 
ostendische Compagnie zu zerstören, schien ihm unzulässig. Nachdem 
der preußische Reichstagsgesandte die alten Verhandlungen nachgesehen, 
berichtete er, der burgundische Kreis, der diese Lande begreife, werde 
noch fortwährend als ein Theil des Reiches betrachtet; ein Angriff 
darauf würde ein Angriff auf das Reich sein. 
Aber der König gerieth, wenn er sich wieder vergegenwärtigte, 
was er in Herrenhausen von den fremden Gesandten gehört hatte, 
auf den Gedanken, als sei ihre Absicht wohl gar auf einen völligen 
Umsturz des Hauses Oesterreich gerichtet; er meinte gehört zu haben, 
man müsse dieses Haus so viel wie möglich herunterbringen, nach dem 
Tode des Kaisers dessen Länder theilen. 
Damit trat ihm die Gefahr eines undienlichen Uebergewichts, 
das bisher von der einen Seite gedroht, von der andern entgegen. 
Was dann, sagt der König, wenn man Oesterreich zu Grunde ge- 
richtet hat? Will man alsdann einen englischen oder einen fran- 
zösischen Kaiser machen? Er urtheilte, es sei besser, einen Kaiser zu 
behalten von deutscher Nation und von österreichischem Blut. 
Nur den Geistern von erstem Range stellen sich die verschiedenen 
Seiten einer Frage auf einmal und vollständig dar; Anderen, die 
mehr von den Eindrücken abhängen, die ihnen geschehen, entwickeln 
sie sich erst nach und nach. 
Wenn sich die österreichische Erbfolge von so gewagten Combi- 
nationen, wie die spanische war, frei hielt, so blieb sie, im Allgemeinen, 
politisch überaus wünschenswürdig. Oder mußte nicht eine Auflösung 
des österreichischen Ländercomplexes zuletzt doch nur den Franzosen, 
und vielleicht den Engländern zu Gute kommen, eben wie dies bei 
der spanischen Monarchie der Fall gewesen war? Wer hätte gegen 
ihre Uebermacht Schutz verleihen können? 
Das will es im Grunde auch nur sagen, wenn Friedrich Wil- 
helm meint, daß Franzosen und Engländer Kaiser werden würden, 
es erinnere ihn an die Fabel vom Storch und den Fröschen. Im 
Reiche würden sie Meister geworden sein. 
Wenn der König durch mancherlei vom kaiserlichen Hofe er- 
fahrene Ungunst, die Uebergriffe der Katholiken und Rücksichten der 
Familie bewogen worden war, die hannoversche Allianz einzugehen, 
so erweckte dagegen nun auch diese durch eine offensive Richtung, 
welche für den Zustand des Reiches gefährlich werden konnte, Be- 
sorgniß und Verstimmung in ihm; im Sommer 1726 war er schon 
sehr davon zurückgekommen.
	        
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