Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

604 Analekten. 
den Austrag erhielt, die Geschichte des großen Kurfürsten ebenfalls aus den 
Acten darzustellen, was er denn auf eine Weise gethan hat, daß sein Werk 
die Grundlage aller späteren geworden ist. 
Zweifel an der Tradition von der Fehrbelliner Schlacht. 
Von den zerstreuten emerlungen, die mir im Laufe der Studien ge- 
kommen sind, will ich nur eine einzige hinzufügen, von der ich wünsche, daß 
sie geprüft und nach weiterer Forschung verworfen oder angenommen werde. 
Auf Pufendorf bezieht sie sich eigentlich nur negativ, insofern als er in der 
Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm bei der Darstellung der Schlacht 
von Fehrbellin das Ereigniß, das späterhin fast am meisten dabei hervorgehoben 
ist, nicht enwähnt. Es ist der Beweis der Treue, den der Stallmeister Froben 
dadurch gegeben haben soll, daß er den Kurfürsten veranlaßte, das Pferd, das 
ihn trug und von dem man meinte, daß er dadurch den Feinden kenntlich ge- 
worden sei, mit dem seinen zu vertauschen; indem er das Pferd des Kurfürsten 
bestieg, habe er, so wird erzählt, diesen gercttet, sich selbst den Tod zugezogen. 
Besonders hat Friedrich II in den Mômoiresde Brandenbourg bieser Erzäh- 
lung Glauben und Autorität verschafft. Er stützte sich auf die ihm zu Theil 
gewordenen Informationen, an deren Glaubwürdigkeit er keinen Zweifel hegte. 
Grade über den Feldzug von 1675 waren aber seine Informationen nur unzu- 
reichend. Es ist gewiß ein Irrthum, daß die Garnison von Rathenow durch einen 
Landedelmann, Baron Briest, bei einem großen Gastmahl trunken gemacht wor- 
den sei, während der Kurfürst die Havel auf Kähnen habe ÜUberschreiten lassen. 
Der Kammerjunker von Buch, dessen Tagebuch ohne Zweifel den besten und 
zuverlässigsten Bericht von dem Hergang enthält, meldet (S. 115), daß die 
Offiziere am 18. bei einem Edelmann von Briest (der Name des Ortes ist nicht 
genannt, doch wird es Hohenseeden zwischen Burg und Genthin gewesen sein) 
frühstückten; Briest war den Abend zuvor in Rathenow gewesen und hatte den 
Obersten Wrangel gesprochen, welcher noch nichts von dem brandenburgischen 
Marsche wußte. Man hatte bereits das Gegentheil gefürchtet; diese Nachricht aber 
entschied den Marsch. Bald darauf, ungefähr um eilf Uhr, bekamen Oberst- 
lieutenant Kanne und Generaladjutant Kannowsky den Besehl, den Fluß zu 
passiren und wenn die Dragoner die Brücke angriffen, ihrerseits ebenfalls an- 
zugreifen. Ohne Zweifel liegt in dem wirklichen Antheil Briests an dem de- 
finitiven Entschluß zum Angriff und dem Frühßück in seinem Dorse der Ur- 
sprung der Sage, die eigentlich die Sache umkehrt, um den Erfolg glanb 
licher zu machen. Der König sagt ausdrücklich, der Kurfürst habe sich mit 
Briest, der noch in Rathenow gewesen sei, verständigt, während dieser doch 
den Tag zuvor von da schon zurlckgekehrt war. 
Ebenso ist es unrichtig, daß Derilinger zuerst in Rathenau eingedrungen 
sei und die Wachen niedergemacht habe. Aus Buch ergiebt sich mit aller 
Mröglichen Bestimmtheit, daß Derflinger zwar nur die erste kleinere Brücke be- 
setzte, bei der anderen aber den größten Widerstand sand. Der erste, der in 
die Stadt drang, war der Oberftlieutenant Kanne. Indessen wurden die 
Brücken noch immer vertheidigt. (Buch p. 118.)
	        
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