56 Fünftes Buch. Drittes Capitel.
Eines Abends, im Juni, saß der König an einem Fenster des
Schlosses, den Blick auf die in der Nähe am Wasser auf und ab
Lustwandelnden gerichtet, als er unter diesen einen alten Bekannten,
den kaiserlichen General Grafen Seckendorf ansichtig wurde. Er winkte
ihm, bat ihn einzutreten, neben ihm niederzusitzen.
Graf Seckendorf war dadurch ausgezeichnet, daß er, obgleich
Norddeutscher und Protestant, Neffe jenes Seckendorf, der als Ge-
schichtschreiber des Lutherthums einen so rühmlichen Namen erworben,
dennoch zu den höchsten Stellen im kaiserlichen Heer und zu vielem
Einfluß auf die Geschäfte gelangte. Den protestantischen Fürsten
schien er ein sehr geeigneter Vertreter an dem Hofe, von dessen gün-
stiger oder, ungünstiger Stimmung für einen Jeden doch unendlich
viel abhing; seinerseits stützte er sich wieder auf das Vertrauen, das
ihm diese widmeten 1). Längst schon, in den niederländischen Feld-
zügen, war er mit Friedrich Wilhelm I bekannt geworden, und seit-
dem in Correspondenz mit ihm geblieben. Er sagt einmal, von
Jugend auf habe er dem König seine Treue und Devotion gewidmet:
ein andermal, ein nach längerer Unterbrechung bei ihm eingegangenes
königliches Schreiben habe ihn gleichsam wieder lebendig gemacht ).
War er fern, so versäumte er nichts, um des Königs Gunst zu be-
haupten. Er schickt ihm Delicatessen für seine Küche, — italienische
Trüffeln, „gar schöne Krammetsvögel aus Dresden“ bauptsächlich
verschafft er ihm den erwünschten Anblick langgewachsener Soldaten,
die er größtentheils von den razischen Heiducken nahm. Erschien er
dann persönlich, so zeigte er sich so recht als einen Mann für den König.
Da er in vielen Feldzügen gedient, und oft in diplomatischen Geschäften
gebraucht worden war, z. B. auch bei dem Congreß in Utrecht, so besaß
er die mannichfaltigste Kenntniß der lebenden Welt: seine Connersation
war angenehm und unterrichtend. Er hatte mit dem König einige
Eigenschaften gemein: große Wirthschaftlichkeit, untadelhafte Führung
in Bezug auf das weibliche Geschlecht, äußere Religiosität, Unermüd-
lichkeit wie in der Arbeit, so auf Reisen, oder bei der Jagd. Fried-
rich Wilhelm theilte mit Niemand lieber seine langen Sitzungen beie
1) 21. Sept. 1725 ersuchte er den König von Preußen, „sich für ihn bei
Hannover zu interessiren“, damit ihn dies für die Feldzeugmeisterstelle in der
Reichsarmee befördere, und ging dann selbst nach Hannover. Der König
schrieb für ihn auch nach Regensburg.
2) 23. Januar 1720 aus dem Feldlager von Trapani. Er hofft „mündlich
weiter Rapport zu erstatten“. 12. Februar: „bald aus diesen verdrießlichen
Ländern (Unteritalien und Sicilien) zu kommen.“