72 Fünftes Buch. Drittes Capitel.
Wir berührten schon und wollen nicht wiederholen, welch ein
Verdienst sich Friedrich Wilhelm damit erwarb, daß er, so militärisch
die Natur seines Staates war, zwischen den großen Mächten, welche
miteinander in Krieg gerathen zu müssen schienen, den Frieden
erhielt.
Eine andere Frage aber ist, ob die Politik des Königs auch in
jedem Augemblicke eben die rechte war; ob er nicht zu rasch auf den
Bund von Hannover eingegangen ist, so daß er sich bald darauf ge-
nöthigt sah, von demselben zurückzutreten; ob der neue Bund mit
Oesterreich den Interessen seines Staates ganz entsprach.
Diese Bundesgenossenschaft gewährte den großen Vortheil, daß
sie die stärksten deutschen Kräfte vereinigte, die Gesichtspunkte des
Friedens und gegenseitigen Vertrauens zwischen den beiden Religions-=
parteien erneuerte. Für die Entwickelung und Erweiterung des
preußischen Staates hatte es einen hohen Werth, daß der Kaiser die
Erbfolgeansprüche auf Berg anerkannte und gewährleistete. Aber ein-
mal fiel die Anerkennung der österreichischen Erbfolgeordnung, die von
ganz Europa bestritten war, also des Bestandes der österreichischen
Monarchie sehr ins Gewicht; sodann bedeutete es doch in der That
etwas, daß die preußische Freundschaft dem Hause Oesterreich in den
rorliegenden Verwickelungen unmittelbar zu Gute kam, während aller
Gewinn, den Preußen sich zu versprechen hatte, in der unbestimmten
Aussicht entfernter Zeiten lag. Um so größern Werth legte man
auf diese Eventualität; Friedrich Wilhelm I verlor sie keinen Augen-
blick aus den Augen. Der Vertrag ist für die weiteren Verhältnisse
tbeider Mächte so verhängnißvoll geworden, wie jene Abkunft über
Schwieb us.
Zunächst bildete derselbe einen wichtigen Moment in dem Ver-
hältniß zu England.
Im Jahre 1727 war Georg 1 unerwartet gestorben (11. Juni).
Es ist ein Irrthum, wenn man annimmt, zwischen dem Nach-
folger desselben, Georg II und Friedrich Wilhelm I sei nun sofort
ein alter, persönlicher Widerwille hervorgetreten.
Eine eigenhändige Instruction des Königs von Preußen an
seinen Gesandten Wallenrodt liegt uns vor, welche nichts Anderes,
als den dringenden Wunsch ausdrückt, ein gutes Vernehmen anzu-
knüpfen. Man erkennt dabei die damalige Stellung Friedrich Wil-
helms.
Er wiederholt darin sein Versprechen, niemals zuzulassen, daß
die deutschen Provinzen des Königs von England belästigt oder über