78 Fünjtes Buch. Viertes Capitel.
Gott empfahl und, seinen Geist in die ewigen Geschicke vertiefend,
nicht aufstand, bis er auch in diesem Gebet erhört zu sein glauben
durfte. So dankte man Gott in den Kirchen, daß er nach manchen
betrübten Fällen das Haus und Reich seines Gesalbten, des Königs,
aufs neue befestigt und vor aller Welt bestätigt habe.
Recht im Geiste der großen Allianz, welche seit einem Viertel-
jahrhundert die Politik und das Schicksal des Landes bestimmt hatte,
lud man die Generalstaaten und Kaiser Carl VI zu Taufzeugen
ein 0. Es bezeichnet das alte vertrauliche Verhältniß, daß die ersteren
dem jungen Prinzen von Preußen und Oranien, denn diesen Titel
gab man ihm in Erinnerung an seine Aeltermutter, Tochter Friedrich
Heinrichs von Oranien, ein Geschenk machten, wie wohl begüterte
Verwandten pflegten: zwei goldene Becher und eine goldene Cassette
mit einem Leibrentenbrief auf 4000 Gulden. Indem der Kaiser die
Pathenstelle annimmt, bei deren Antrag ihm Glück gegen seine Feinde
in Rathschlägen und Handlungen gewünscht worden war, spricht er
die Hoffnung aus, daß das gute Verständniß, das zwischen seinem
und dem königlich preußischen Hause jederzeit gepflogen worden sei,
bis ans Ende der Welt bestehen werde. In diesem Sinne fügte man
bei der Taufe dem hohenzollerischen Namen einen habsburgisch-bur-
Jundischen bei; man nannte den Prinzen Carl Friedrich, obgleich man
beschloß, ihn für gewöhnlich allein Friedrich zu nennen?). Der junge
Prinz ward recht feierlich zum Fortsetzer eines Bündnisses eingeweiht,
das er gerade unterbrechen sollte. Die Sage liebt es, an der Wiege
eines Helden Vorahnungen sekner Bestimmung zu sammeln: die Ge-
schichte findet eher das Gegentheil.
Friedrich Wilhelm vertraute die Pflege der ersten Jahre seines
Sohnes denselben Händen an, unter denen seine eigene Kindheit ge-
diehen war. Einer Französin, die ohne männliches Geleit die Aus-
wanderung ihrer Familie durchzuführen gewußt hatte, um dem reli-
giösen Zwange zu entgehen, Frau von Rocoulle, gebührt die Ehre,
von zwei der thatkräftigsten Fürsten, die je auf einem Throne ge-
1) Es finden sich noch Dankschreiben für die Wahl zur Taufzeugin von
Kurfürstin Sophie, Hannover 3. Febr., und Herzogin Eleonore, Lüneburg
6. Febr.
2) Eine authentische Aufzeichnung hat sich hierüber noch nicht gefunden.
Was aber die Sache historisch entscheidet, ist ein Schreiben des Kaisers, seines
Pathen, vom 6. Januar 1731 mit der Ausfschrift: „Ihro Liebden Carl Fried-
rich Cronprinzen von Preußen und Churprinzen von Brandenburg meinem
lieben Vetter.“