Nicht an uralte Gründungen unvordenklicher Zeiten knüpft das
Königreich Preußen an, wie die übrigen großen Potenzen, in deren
Reihe einzutreten es bestimmt war. Das englische Königthum schreibt
sich noch von den wessexischen Königen her, welche die Oberhand in
der Heptarchie davontrugen. Seitdem ist es oft zwischen verschiedenen
Stämmen streitig gewesen und von einheimischen Feindseligkeiten
heimgesucht worden; eben auf den Grund derselben ist das Reich zu
seinem innern Bestande gediehen. Die französische Krone ist die Fort-
bildung des Reiches Carls des Großen in dem westfränkischen Gebiete;
die Einschränkung auf dies Gebiet hat den Stämmen zum Motiv ihrer
Vereinigung gedient und die Entstehung einer compacten Nationalität
herbeigeführt. Die beiden Ideen der höchsten Gewalt und der Natio-
nalität haben einander in den verschiedensten Formen unterstützt oder
auch bekämpft. Die Krone des deutschen Kaiserthums, ursprünglich die
ostfränkische, lange Zeit die vorwaltende Macht im Abendlande, war
unter den Wechselfällen eines Jahrtausends auf Oesterreich übergegangen,
welches dieselbe mit beschränkten Rechten und keineswegs erblich, jedoch
seit langer Zeit in ununterbrochener Succession besaß. Als Staat ist
Oesterreich noch mehr auf die Gerechtsame der einheimischen Könige in
Ungarn und Böhmen, der Arpaden und Przemysliden, die dem deutschen
Fürstenhause durch Erbrecht zugefallen sind, gegründet. Rußland be-
ruht noch heute auf dem Groffürstenthum, welches einst die Ru-
rikingen in dem Widerstreit der Nationalitäten des Ostens aufrichteten
und welches dann eine durchaus flawisch-nationale Form annahm;
der Wechsel der Dynastien hat darin keine Aenderung hervorgebracht.
Alle dem hat die Geschichte des preußischen Staates nichts Gleich-
artiges zur Seite zu setzen. Er ist aus verhältnißmäßig kleinen Terri-
torien, unter einer Dynastie, die denselben durch Herkunft nicht an-
gehörte, erwachsen. Neben den Berechtigungen der uralten Reiche
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