Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

84 Fünftes Buch. Biertes Capitel. 
Was dem Lehrer zugeschrieben wird, war ohne Zweifel zugleich 
die natürliche Wirkung der neueren und älteren Autoren, mit denen 
ihn derselbe bekannt machte, auf den empfänglichen und emporstre- 
benden Geist. 
Wenn es auf methodischen Unterricht ankam, einen solchen zu 
geben, war Duhan nicht fähig 1). Er verstand nicht viel mehr als 
seine Muttersprache; statt brandenburgische Historie zu treiben, gab er 
dem Prinzen Anweisung, französische Verse zu machen. 
In dem Leben eines Menschen in der vorgeschrittenen Ent- 
wickelung der Welt ist nichts so wichtig als das Verhältniß, in das 
er sich zur Literatur setzt. Duhan vermittelte, wohin der Genius 
seines Schülers sich ohnehin neigen mochte, daß derselbe Geschmack an 
der Lectüre bekam. 
Später hat Friedrich bemerkt, man lerne niemals so gut von 
Menschen als aus Büchern; das unterrichtendste Gespräch sei das mit 
den Todten, welche nicht aus irgend einer Rücksicht reden; aus den 
Büchern der Geschichte könne man das Urtheil abnehmen, das man 
selber zu erwarten habe. Darin besteht die unmittelbarste Beziehung 
des individuellen Geistes zu dem allgemeinen Leben des menschlichen 
Geschlechts, es ist vielleicht für einen Jeden entscheidend, wo diese sich 
anknüpft. 
In den Deutschen jener Zeit regte sich das Gefühl, daß sie in 
freier Ausbildung der Persönlichkeit hinter anderen Nationen und 
zunächst hinter ihren westlichen Nachbarn, die. ihnen so manchen andern 
Antrieb gegeben, zurück seien. Nicht übel ist die Schilderung eines 
schönen Geistes, welche Pater Bouhours aufstellte, daß nämlich ein 
solcher richtig denke, tief eindringe, dabei doch auch Zartheit habe, 
zugleich umfassend und deutlich, bescheiden und fruchtbar sei. Aus 
einer der frühesten Schriften von Thomasius kann man sehen, welchen 
Eindruck dieser Begriff von schönem Geist und gutem Geschmack in 
Deutschland machte; eigentlich mit einer Anerkennung desselben hat 
dieser Autor seine Laufbahn begonnen. 
Von den Vorzügen der französischen Bildung ward nun auch 
Friedrich durchdrungen. Französische Bücher waren wohl jetzt aus- 
schließend seine Lectüre. Er fand Geschmack wie an ihrem präcisen 
und witzigen Ausdruck, für welchen ihm selbst eine natürliche Anlage 
1) In dem Reglement heißt es von dem geographischen Unterricht: Kalk- 
stein soll dabei das Beste thun. So sagt dieser auch selbst, daß er mit dem 
Prinzen wohl die meiste Arbeit gehabt habe.
	        
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