Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

154 Elftes Buch. Viertes Capitel. 
Volke leichter mitgetheilt haben. Aber er war fern davon und stand 
allein in seiner Gesinnung. Es gehört zur Anschauung seines We- 
sens, daß er keine Hülfe von irgend einer Seite, selbst nicht vom 
Himmel erwartet, alle seine Kraft anstrengt, um der drohenden Ge- 
fahr zu begegnen, aber darauf gefaßt ist, vielleicht zu unterliegen. 
Er fürchtet nichts und hofft nichts; er lebt nur in dem Gefühl der 
Pflichterfüllung. · 
Man wird durch Friedrichs Aeußerungen an die Sprüche er- 
innert, welche einst ein römischer Kaiser in seinem Feldlager gegen 
die Quaden aufgezeichnet hat. Allein was bei diesem Erinnerung 
aus Schule, Lectüre, Erfahrung, allgemein anwendbare Lehre ist, ent- 
springt bei Friedrich inmitten eines großen politischen Kampfes, woa 
der Geist alle Kraft in sich selbst zusammennimmt; es hat weniger 
Methode, mehr eigenthümliches Leben. Wir sehen einen germanischen 
Fürsten, in dem sich persönlicher und dynastischer Ehrgeiz, Heldenmuth 
und Kriegstalent mit der Gesinnung der Stoiker verbinden. Wer 
wagt es, seinen Ehrgeiz zu tadeln? Es ist der großartigste, den ein 
Fürst haben kann, für sein Volk und seinen Staat eine vollkommene 
politische Unabhängigkeit zu gewinnen, eine Stelle, wo Niemand in 
wirklicher Bedeutung über ihm ist. Seine Meinungen selbst, so tief 
sie in ihm wurzeln, sind doch nicht das reine Ergebniß seines Nach- 
denkens; sie werden zugleich von seiner allenthalben gefährdeten Lage, 
von dem Bedürfniß der unmittelbar nothwendigen Thätigkeit heraus- 
gefordert. 
Denn wenn man, sagt er, dem Geiste seine Freiheit behaupten 
will, so muß man den Ereignissen, die man doch nicht ändern könnte, 
mit Ruhe entgegensehen. „Ich habe unendlich gelitten, manchen Sieg 
über mich selbst gewinnen müssen, aber dem Himmel sei Dank, ich 
vermag es jetzt, mit kaltem Blute an den Anordnungen zu arbeiten, 
die ich treffen muß“ 7). 
Ganz andere Dinge als jene abenteuerliche Rettungsgeschichte 
machen die Abtei Camenz für Friedrichs Andenken unvergeßlich. Es 
war hier, daß er solche Betrachtungen anstellte, diese Festigkeit sich 
erstritt, indem doch sein ganzer Tag mit militärischen Besorgungen 
erfüllt war. Er hatte es für rathsam gehalten, seine Truppen zu 
beiden Seiten der Neiße, von wo er sie leicht gegen jede ernstlich be- 
1) 8. Mai zu Camenz: Je crois que vous vous étonnez de me voir 
si tranquille dans la crise la plus violente on j'ai é#é6 de ma vie; je 
vous réponds à celo due j#ai été obligé à gagner beaucoup sur moi, avaut 
dquc de me procurer cette unpassibilité.
	        
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