190 Elftes Buch. Sechstes Capitel.
ein sechs Colonnen in die unmittelbarste Nähe seines Lagers heran;
die Grenadierbataillone nahmen die bezeichneten Höhen in der Nähe
von Burkersdorf ein und besetzten sie mit Kanonen und Haubitzen.
Ohne daß die Preußen etwas davon bemerkten, wurden über ihrem
Haupte den verschiedenen österreichischen Abtheilungen die Posten aus-
getheilt, wo sie den andern Morgen angreifen sollten Lobkowitz,
welcher an allen Anordnungen lebendigen Antheil nahm, soll gesagt
haben, er werde zeigen, wie man ein feindliches Lager erobern müsse:
Widerstand hielt er für unmöglich.
Am Morgen des 30. September beschäftigte sich König Friedrich
in seinem Zelt, den Tagesbefehl zu dictiren — wo die Fouriere sich
noch vor dem Abmarsch zusammenfinden, wo am Tage den Regimen-
tern das Brod ausgetheilt werden sollte —, als die Meldung geschah,
daß man an der Seite des rechten Flügels eine starke feindliche Heeres-
macht erblicke. Friedrich trat eilend heraus; er sah die Oesterreicher
bereits in voller Schlachtordnung hinter Burkersdorf stehen und sich
jeden Augenblick verstärken. Bei diesem Anblick befahl er dem nächsten
Tambour, Generalmarsch zu schlagen; indem die Zelte weggenommen
wurden und Jedermann zu den Waffen griff, durchritt er selbst das
Gefild, um zu sehen, wie er dem Feinde begegnen könne?)).
Dreierlei war hier möglich: entweder das Lager regelmäßig zu
vertheidigen, denn schon war auch der Rücken und die linke Flanke
bedroht, oder den Weg nach Trautenau fortzusetzen, um Lehwald zu
erreichen, oder der Hauptmasse des Feindes unverzüglich zu Leibe zu
gehen. Das Kühnste ist das Beste; der König beschloß, die Verthei-
digung in einen Angriff zu verwandeln; der Befehl ward gegeben,
aus dem Lager hervorrückend mit Zügen rechts zu schwenken, den
Feind geradezu ins Gesicht zu fassen.
Es stand nicht ein Kampf bevor, wie in den frühern Schlachten,
dessen Ausgang über ein großes politisches Interesse, wie den Besitz
von Schlesien oder von Böhmen, entschieden hätte. Friedrich war be-
reits genöthigt, Böhmen zu verlassen, er mußte seinen Rückzug fort-
setzen, mochte er siegen oder nicht. Es war nur eine militärische
Handlung: von Seiten der Oesterreicher der Versuch, an dem ver-
haßten Feinde, ehe er noch abzog, Alles was man bisher von ihm
gelitten hatte, zu rächen und ihm einen empfindlichen Schlag beizu-
1) Rclation des opérations de Tarmée Prussiennc en Boheme depuis
le 27. Debr., de la glorieuse journée du 30. Spt. dressée por Ferdinand,
prince de Brunswic (Archiv zu Wolfenbiülttel).