Feldzug in Sachsen. 201
Vorkehrungen zum Trotz, doch einige Kunde durchdrang, Bedenklich-
keiten. Die Meisten glaubten, Mangel an Lebensmitteln im Innern
der Provinz oder die Absicht, im nächsten Frühjahr sogleich bei der
Hand zu sein, werde sie dazu veranlaßt haben; der Prinz von An-
halt hielt aber doch für gut, das ihm anvertraute schlesische Heer
nicht in die Winterquartiere auseinandergehen zu lassen.
Weitere Vermuthungen erweckte das Vorrücken des Generals
Grüne nicht nach Böhmen, sondern nach dem Voigtlande.
Recht eigentlich aufmerksam aber ward Friedrich erst bei der er-
wähnten Erklärung des Russischen Hofes. Gehe nicht der Gedanke
seiner beiden Nachbarn vielleicht dahin, ihn von der Lausitz her in
Schlesien anzufallen, um ihn, wenn sie geschlagen und durch die Lausitz
verfolgt würden, in Feindseligkeiten mit Rußland zu verwickeln? „Der
Gedanke“, ruft er aus, „wäre nicht so übel, allein, bei Gott, ich
werde berechtigt sein, meine Feinde überall zu verfolgen, wo ich sie
finde.“ Podewils erklärte dem Fürsten Woronzow, der in jenen Tagen
in Berlin anwesend war, daß, wofern der König von der Lausitz her
angegriffen werde, Niemand etwas dagegen haben könne, wenn man
einen Feind, der ihm Schlesien entreißen wolle, daselbst aufsuche.
Von einem staatsrechtlichen Unterschiede zwischen seinen alten und
seinen neuen Provinzen wollte Friedrich nichts hören.
Noch war aber Alles ein mehr oder minder unbestimmtes
Vermuthen. Die Augen gingen dem König erst auf, als ein paar
schwedische Diplomaten, die sich seit jener Heirath seiner Schwester
mit besonderer Vorliebe ihm angeschlossen, ihm von den umfassenden
Plänen, die ihnen zufällig, aber sicher, aus Brühls eigenen Andeu--
tungen, zur Kunde gekommen, Nachricht gaben.
Auf den ersten Blick hätte Niemand daran glauben sollen. Es
ließ sich kaum denken, daß ein sächsischer Minister die Unbesonnenheit
haben sollte, sein eigenes Land der Gefahr auszusetzen, der Schau-
platz eines heftigen Krieges und seiner Verwüstungen zu werden.
Weder Podewils noch selbst der alte Fürst von Dessau, der sonst
gegen Sachsen so leicht in Feuer gerieth, waren davon zu überreden 1).
Auf Friedrich aber machte das Zusammentreffen so vieler heterogener
Bewegungen, die durch eine Annahme wie jene plötzlich Licht bekamen,
den Eindruck der Gewißheit. Er empfand in die Seele des sächsischen
Ministers die ganze Verantwortung, die derselbe auf sich nahm; sein
1) Aeltere Redaction der Memoiren: Le prince d'Anhalt me répondit
sechement: cela n’est pas vrai, cela n'est pas possible.